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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Joannes Vater, im Ritz-Carlton versucht zu haben, eine junge Frau zu vergewaltigen, war lachhaft; das wusste jeder, der ihn kannte. Die Frau hatte die Anzeige dann auch zurückgezogen, aber die Zeitungen hatten nur ganz am Rande darüber berichtet. Deshalb galt Dave Rouzrokh in den Augen der Buffaloer Öffentlichkeit weiterhin als Vergewaltiger. Dave und seine Frau waren schließlich nach Palm Beach gezogen, und Woody hatte den Kontakt zur Familie verloren.
    Und nun sah er Joanne im Weißen Haus wieder.
    Woody begleitete seinen Vater, Senator Gus Dewar. Sie hatten einen Termin beim Präsidenten. Woody war Franklin D. Roosevelt, kurz » FDR «, schon mehrmals begegnet; sein Vater und der Präsident waren seit Jahren befreundet. Doch bei den bisherigen Treffen hatte es sich stets um gesellschaftliche Anlässe gehandelt. Heute würde Woody zum ersten Mal bei einer politischen Besprechung mit dem Präsidenten dabei sein.
    Sie betraten das Weiße Haus durch den Haupteingang des Westflügels, durchquerten den Eingangsbereich und gelangten in einen großen Warteraum.
    Und da stand sie.
    Woody war wie verzaubert. Joanne hatte sich kaum verändert. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm und einen breitkrempigen Strohhut von gleicher Farbe. Woody war froh, dass er am Morgen ein sauberes weißes Hemd und seine neue gestreifte Krawatte angezogen hatte.
    Joanne freute sich aufrichtig, ihn zu sehen. »Du siehst großartig aus«, sagte sie. »Arbeitest du jetzt in Washington?«
    »Ich helfe nur über die Sommerferien bei meinem Vater aus«, antwortete Woody. »Ich studiere noch in Harvard.«
    Joanne wandte sich Woodys Vater zu. »Guten Tag, Senator«, sagte sie respektvoll.
    »Hallo, Joanne.«
    Woody konnte immer noch nicht fassen, Joanne begegnet zu sein. Sie war so verlockend wie eh und je. »Und du?«, wollte er wissen. »Was machst du hier?«
    »Ich arbeite im Außenministerium.«
    Woody nickte. Deshalb ihr Respekt gegenüber seinem Vater. Joanne war in eine Welt eingetreten, in der Senator Gus Dewar eine der herausragenden Persönlichkeiten war. »Und was ist deine Aufgabe?«, fragte Woody.
    »Ich bin die Assistentin eines Assistenten. Mein Chef ist gerade beim Präsidenten. Ich bin leider ein zu kleines Licht, als dass ich mit hineindürfte.«
    »Du hast dich immer für Politik interessiert. Schon damals in Buffalo. Kannst du dich an das Streitgespräch über Lynchjustiz erinnern, das du mit Victor Dixon geführt hast?«
    Ein wehmütiger Ausdruck erschien auf Joannes Gesicht. »Ich vermisse Buffalo. Es war eine schöne Zeit, nicht wahr?«
    Woody musste daran denken, wie sie beide sich beim Ball des Racquet Clubs geküsst hatten, und spürte, wie er rot wurde. Er überlegte, ob er sie um ihre Telefonnummer bitten sollte, doch Joanne kam ihm zuvor.
    »Ich würde dich gern wiedersehen. Hast du heute Abend Zeit? Ich gebe eine Party für ein paar Freunde.«
    Woody konnte sein Glück kaum fassen. »Ja, sicher, ich komme gern!«
    Joanne nannte ihm ihre Adresse. Sie wohnte in einem Apartmenthaus in der Nähe.
    Senator Dewar blickte demonstrativ auf die Uhr. »Woody, wir müssen los«, drängte er und lächelte Joanne an. »Meine besten Empfehlungen an Ihren Vater.«
    Er ging mit Woody auf einen Wachmann zu, der vor einer Tür postiert war. Der Mann nickte ihm vertraut zu und hielt ihm die Tür zu einem zweiten Wartezimmer auf.
    »Denk daran, Woody«, erinnerte ihn sein Vater, »sprich nicht, ehe der Präsident dich direkt anredet.«
    Woody nickte und versuchte sich auf das bevorstehende Gespräch zu konzentrieren. In Europa hatte es ein politisches Erdbeben gegeben: Die Sowjetunion hatte einen Nichtangriffspakt mit Nazi-Deutschland unterzeichnet und damit sämtliche politischen Kalkulationen über den Haufen geworfen. Senator Dewar war eine Schlüsselfigur im Außenausschuss des Senats; deshalb wollte der Präsident seine Meinung zur Entwicklung in Europa einholen.
    Gus Dewar wollte allerdings noch ein zweites Thema ansprechen. Er hatte die Absicht, Roosevelt von der Notwendigkeit des Beitritts der USA in den Völkerbund zu überzeugen.
    Einfach würde das nicht werden. Die Vereinigten Staaten waren dem Völkerbund nie beigetreten. Er war bei den Amerikanernnicht sonderlich beliebt, zumal er in den Dreißigerjahren versagt hatte, als es darum ging, Krisen einzudämmen: die japanische Aggression in Fernost, den italienischen Imperialismus in Afrika, die Annexionen Nazi-Deutschlands in Mitteleuropa und den Untergang der Demokratie in

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