Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
er nicht die erste Wahl seines Vaters gewesen wäre. Doch er war ein alter Freund der Familie Roosevelt; bei FDR s Hochzeit war er Page gewesen.
Gus hatte nicht die Absicht, sich diese Chance wegen personeller Erwägungen entgehen zu lassen. »Wie Sie wünschen.«
»Gut, dann wäre das geklärt. Danke für Ihr Kommen, Gus.«
Offensichtlich betrachtete der Präsident das Gespräch als beendet. Gus und Woody erhoben sich. Gus fragte: »Wie geht es Ihrer Mutter, Sir? Sie ist in Frankreich, wurde mir gesagt.«
»Ihr Schiff ist gestern ausgelaufen, Gott sei Dank.«
»Das freut mich sehr.«
»Danke, dass Sie gekommen sind«, wiederholte Roosevelt. »Unsere Freundschaft ist mir wichtig, Gus.«
»Nichts könnte mir eine größere Freude sein, Mr. President.« Zum Abschied schüttelten Gus und Woody Dewar dem Präsidenten die Hand.
Als sie das Gebäude verließen, sagte Gus: »Gehen wir zur Feier des Tages einen trinken.«
Woody blickte auf die Armbanduhr. Es war fünf. »Klar.«
Sie gingen zum Old Ebbitt’s auf der F Street unweit der Fifteenth: Buntglasscheiben und grüner Samt, Messinglampen und Jagdtrophäen. Das Lokal wurde vor allem von Kongressabgeordneten und Senatoren und deren Gefolge besucht: Referenten, Lobbyisten und Journalisten. Gus bestellte sich einen trockenen Martini ohne Eis und für Woody ein Bier. Woody verzog das Gesicht. Er stand nicht auf den Cocktail, den Gus sich bestellt hatte – er schmeckte ihm zu sehr nach kaltem Gin –, aber sein Vater hätte ihn wenigstens fragen können. Trotzdem hob er sein Glas und sagte: »Glückwunsch. Du hast bekommen, was du wolltest.«
»Was die Welt braucht.«
»Du hast großartig argumentiert. Lass dir das vom besten Mann des Debattierclubs in Harvard gesagt sein.«
»Roosevelt musste kaum überzeugt werden. Er ist Liberaler, aber auch Pragmatiker. Er weiß, dass man sich seine Schlachten danach aussuchen muss, ob man sie gewinnen kann. Der New Deal hat für ihn absolute Priorität – Arbeitslose wieder in Lohn und Brot zu bringen. Er wird nichts tun, was seinem wichtigsten Ziel in den Weg geraten könnte. Wenn mein Vorschlag seine Anhänger verschreckt, wird er ihn fallen lassen.«
»Dann haben wir noch gar nichts gewonnen?«
Gus lächelte. »Wir haben den entscheidenden ersten Schritt getan. Aber gewonnen haben wir noch nichts.«
»Schade, dass er dir Welles aufgedrängt hat.«
»Das ist gar nicht so schlimm. Sumner wird mir den Rücken stärken. Außerdem steht er dem Präsidenten näher als ich. Aber er ist unberechenbar. Er könnte die Stafette übernehmen und in die andere Richtung rennen.«
Woody ließ den Blick durchs Lokal schweifen und entdeckte ein bekanntes Gesicht. »Rate mal, wer hier ist. Ich hätte es mir denken können.«
Gus blickte in die gleiche Richtung wie Woody.
»An der Bar«, sagte Woody. »Bei den beiden älteren Männern mit Hut und dem blonden Mädchen. Das ist Greg Peshkov.«
Wie üblich sah Greg trotz seiner teuren Kleidung abgerissen aus: Seine Seidenkrawatte saß schief, der Hemdzipfel schaute aus dem Hosenbund, und auf der cremefarbenen Hose waren Ascheflecken. Dennoch himmelte die Blondine ihn an.
»Ja, das ist er«, sagte Gus. »Siehst du ihn oft in Harvard?«
»Er studiert Physik, gibt sich aber nicht mit den Wissenschaftlern ab. Die sind ihm wohl zu bieder. Ich bin ihm beim Crimson über den Weg gelaufen.« Der Harvard Crimson war die Studentenzeitung. Woody machte Fotos für das Blatt, Greg schrieb Artikel. »Er hat diesen Sommer ein Praktikum beim Außenministerium, deshalb ist er hier.«
»Im Pressebüro, nehme ich an«, sagte Gus. »Die beiden Männer bei ihm sind Reporter. Der im braunen Anzug ist bei der Chicagoer Tribune , der Pfeifenraucher beim Plain Dealer in Cleveland.«
Woody sah, dass Greg mit den Journalisten sprach, als wären sie alte Freunde; er nahm den Arm von einem der beiden, während er sich vorbeugte und mit leiser Stimme sprach. Dem anderen klopfte er auf den Rücken, als würde er ihm spöttisch gratulieren. Die Zeitungsleute schienen Greg zu mögen, denn sie lachten laut über eine seiner Bemerkungen. Woody beneidete ihn um dieses Talent, das für Politiker zwar nützlich, aber nicht unabdingbar war. Sein Vater verstand sich ebenfalls nicht auf dieses Hallo-Kumpel-schön-dich-zu-sehen-Gebaren und gehörte trotzdem zu den angesehensten Politikern der USA .
»Ich möchte wissen, was seine Halbschwester Daisy zu der Kriegsgefahr sagt«, sagte Woody. »Sie ist in London. Sie hat
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