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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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über ihre Köpfe hinwegschauen, aber Joanne war nirgends zu sehen. Woody schob sich durch die Menge und hielt nach ihr Ausschau.
    Ein Mädchen mit üppigen Brüsten und hübschen braunen Augen blickte zu ihm hoch, als er sich vorbeidrängte. »Hallo, Großer. Ich bin Diana Taverner. Wie heißt du?«
    »Ich suche Joanne«, entgegnete Woody.
    »Na dann, viel Glück.« Das Mädchen zuckte die Schultern und wandte sich ab.
    Woody kämpfte sich bis in die Küche durch. Der Lärmpegel sank ein wenig. Auch hier gab es keine Spur von Joanne. Woody beschloss, sich einen Drink zu holen, wo er schon mal hier war. Ein breitschultriger Mann um die dreißig rasselte mit einem Cocktailshaker. Er war gut gekleidet in einen hellbraunen Anzug mit hellblauem Hemd und einer dunkelblauen Krawatte. Er war erkennbar kein Barkeeper; er benahm sich eher wie der Gastgeber. »Scotch ist da drüben«, sagte er zu einem anderen Gast. »Bedien dich. Ich mache Martinis, falls jemand einen haben möchte.«
    »Habt ihr Bourbon?«, fragte Woody.
    »Gleich hier.« Der Mann reichte ihm eine Flasche. »Ich bin Bexforth Ross.«
    »Woody Dewar.« Woody fand ein Glas und schenkte sich Whiskey ein.
    »Eis ist in dem Kübel«, sagte Bexforth. »Wo kommst du her, Woody?«
    »Ich bin Praktikant beim Senat. Und du?«
    »Ich arbeite im Außenministerium. Ich leite das Italien-Ressort.« Er reichte den wartenden Gästen Martinis.
    Ein aufsteigender Stern, dachte Woody. Der Junge hatte so viel Selbstbewusstsein, dass es schon provozierend wirkte. »Ich suche Joanne.«
    »Ja, die ist hier irgendwo. Woher kennst du sie?«
    Woody beschloss, dem Burschen seine deutliche Überlegenheit zu zeigen. »Ach, wir sind alte Freunde«, sagte er von oben herab. »Ich kenne sie schon mein Leben lang. Wir sind zusammen in Buffalo aufgewachsen. Und du?«
    Bexforth nahm einen langen Schluck von seinem Martini und seufzte zufrieden. Dann blickte er Woody forschend an. »Ich kenne Joanne nicht so lange wie du«, sagte er, »aber ich glaube, ich kenne sie besser.«
    »Wieso?«
    »Ich habe vor, sie zu heiraten.«
    Es traf Woody wie ein Schlag ins Gesicht. »Sie heiraten?«
    »Ja. Ist das nicht toll?«
    Woody konnte seine Bestürzung nicht verbergen. »Weiß sie das schon?«
    Bexforth lachte und klopfte Woody herablassend auf die Schulter. »Sicher, mein Freund, und sie ist hellauf begeistert. Ich bin der glücklichste Mann der Welt.«
    Bexforth hatte offensichtlich bemerkt, dass Woody sich zu Joanne hingezogen fühlte. Woody kam sich wie ein Trottel vor. »Gratuliere«, sagte er entmutigt.
    »Danke. Tja, jetzt muss ich mich unter die Leute mischen. War nett, mit dir zu plaudern, Woody.« Bexforth stürzte sich ins Getümmel.
    Woody stellte sein Glas ab, ohne einen Schluck getrunken zu haben. »Scheiße«, sagte er leise. Dann verließ er die Party.

    Der 1. September war ein schwüler Tag in Berlin. Carla von Ulrich wachte verschwitzt auf. In der warmen Nacht hatte sie sich die Decke weggetreten. Sie schaute aus dem Schlafzimmerfenster und sah tief hängende graue Wolken, die die Hitze wie ein Topfdeckel in der Stadt hielten.
    Heute war ein großer Tag für sie. Ein Tag, der über ihr weiteres Leben bestimmen würde.
    Carla schwang sich aus dem Bett und betrachtete sich im Spiegel. Sie hatte das dunkle Haar und die grünen Augen der Fitzherberts, der Familie ihrer Mutter, Maud von Ulrich. Aber sie war hübscher als Maud mit ihrem herben Gesicht – nicht einfach nur schön, sondern atemberaubend. Doch es gab noch einen weit größeren Unterschied zwischen Mutter und Tochter. Maud wirkte äußerst anziehend auf Männer und wusste das zu nutzen, während Carla weder flirten konnte noch wollte. Wenn sie anderen Mädchen in ihrem Alter dabei zuschaute, war es ihr einfach nur peinlich, dieses Augenklimpern, dieses Straffziehen des Oberteils über dem Busen und dieses affektierte Ausschütteln des Haars. Maud, als erfahrene Frau, kannte natürlich subtilere Mittel, sodass die Männer oft gar nicht merkten, dass sie bezirzt wurden, doch im Endeffekt war es das gleiche Spiel.
    An diesem Tag aber legte Carla ohnehin keinen Wert darauf,attraktiv auszusehen; vielmehr musste sie nüchtern und kompetent erscheinen. Deshalb zog sie ein schlichtes steingraues Baumwollkleid an, das ihr bis über die Knie reichte, dazu ihre flachen Schulsandalen. Dann flocht sie ihr Haar zu zwei Zöpfen, wie es für deutsche Mädchen als modisch galt. Als sie sich erneut im Spiegel betrachtete, sah sie zu ihrer

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