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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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das Amt des Premierministers zu übernehmen.
    Lloyd setzte große Hoffnungen in Churchill, auch wenn der Mann ein Konservativer war. Im Laufe des Wochenendes nahm der neue Premierminister seine Ernennungen vor. Er bildete ein fünfköpfiges Kriegskabinett, dem Clem Attlee und Arthur Greenwood angehörten, der Vorsitzende der Labour Party und sein Stellvertreter. Der Gewerkschaftsführer Ernie Bevin wurde Arbeitsminister. Offensichtlich wollte Churchill eine parteienübergreifende Regierung schaffen.
    Lloyd packte seinen Koffer und wartete auf den nächsten Zug nach Aberowen. Er rechnete damit, dass er kurz nach seiner Ankunft versetzt wurde, vermutlich nach Frankreich. Doch er würde nur eine oder zwei Stunden brauchen, um eine Erklärung für Daisys rätselhaftes Verhalten am letzten Dienstag zu bekommen.
    Inzwischen wälzte sich die deutsche Wehrmacht durch Holland und Belgien. Mit einer Geschwindigkeit, die Lloyd erschreckte, überwand sie den beherzten Widerstand des unterlegenen Feindes. Am Sonntagabend telefonierte Onkel Billy mit einem Kontaktmann im Kriegsministerium; anschließend borgten er und Lloyd sich bei der Pensionswirtin einen alten Schulatlas und vertieften sich in die Karte von Nordwesteuropa.
    Mit dem Zeigefinger zog Billy eine Ost-West-Linie von Düsseldorf durch Brüssel nach Lille. »Die Deutschen stoßen gegen den schwächsten Abschnitt der französischen Verteidigungslinie vor, den Nordteil der belgisch-französischen Grenze.« Sein Finger bewegte sich die Seite hinunter. »Südbelgien grenzt an die Ardennen, ein bewaldetes Mittelgebirge, das für moderne motorisierte Armeen so gut wie unpassierbar ist. Das sagt jedenfalls mein Freund im Kriegsministerium.« Billys Finger bewegte sich weiter. »Und hier, noch weiter im Süden, befindet sich die stärkste Verteidigungslinie Frankreichs, die Maginot-Linie, die bis an die Schweizer Grenze reicht.« Der Finger glitt wieder nach oben. »Aber zwischen Nordfrankreich und Belgien gibt es keine Festungsanlagen.«
    Lloyd war erstaunt. »Hat bis jetzt noch niemand daran gedacht?«
    »Doch, wir. Und wir haben eine Strategie.« Billy senkte dieStimme. »Wir nennen es Plan D. Er kann nicht mehr geheim sein, weil er bereits umgesetzt wird. Die besten Divisionen des französischen Heeres und das gesamte britische Expeditionskorps rücken über die Grenze nach Belgien vor. An der Dyle gehen sie in befestigte Abwehrstellungen. Das wird den deutschen Vormarsch stoppen.«
    Lloyd war nicht davon überzeugt. »Heißt das, wir setzen die Hälfte unserer Streitmacht für diesen Plan D ein?«
    »Wir müssen dafür sorgen, dass er aufgeht.«
    »Bei Gott, das hoffe ich.«
    Die Pensionswirtin unterbrach ihr Gespräch, indem sie Lloyd ein Telegramm brachte. Es musste von der Army sein. Lloyd hatte Colonel Ellis-Jones diese Adresse angegeben, ehe er in Urlaub gegangen war. Er war ohnehin überrascht, nicht schon früher von der Army gehört zu haben.
    Lloyd riss den Umschlag auf. Das Telegramm lautete:
    KEINE RÜCKKEHR NACH ABEROWEN STOPP SOFORT IN HAFEN SOUTHAMPTON MELDEN STOPP A BIENTOT GEZEICHNET ELLISJONES
    Lloyd würde also nicht nach Tŷ Gwyn zurückkehren. Southampton war einer der größten Häfen Großbritanniens, wo man sich für Reisen zum Festland einschiffte; er lag nur wenige Meilen die Küste entlang von Bournemouth entfernt. Mit dem Zug oder dem Bus erreichte man ihn binnen einer Stunde.
    Es versetzte Lloyd einen Stich ins Herz, als ihm klar wurde, dass er Daisy morgen nicht wiedersehen würde. Vielleicht sollte er nie erfahren, was sie ihm hatte sagen wollen.
    Colonel Ellis-Jones’ A BIENTOT – »bis bald« – war ein unübersehbarer Hinweis.
    Lloyd wurde nach Frankreich versetzt.

K A P I T E L  7
    1940 (II)
    Erik von Ulrich verbrachte die ersten drei Tage des Westfeldzugs im Stau.
    Er und sein Freund Hermann Braun gehörten zu einer Sanitätseinheit der 2. Panzerdivision, doch sie wurden in keine Gefechte verwickelt, als sie den Süden Belgiens durchquerten; anstatt feindlicher Truppen sahen sie die bewaldeten Hügel der Ardennen. Sie fuhren auf schmalen Straßen, von denen viele ungepflastert waren; wenn ein Panzer mit einem technischen Schaden liegen blieb, konnte die Kolonne sich auf fünfzig und mehr Kilometer stauen.
    So kam es, dass Erik und Hermann mehr im Mannschaftstransportwagen warteten, als dass sie vorankamen. Und wenn es einmal weiterging, war es äußerst unbequem, denn sie wurden auf der harten hölzernen Ladefläche

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