Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
sich westlich von Sedan. Also waren sie endlich in Frankreich. Die Maschinen der Luftwaffe flogen weiter über sie hinweg und warfen ihre Bomben auf die verstreut liegenden Dörfer am Fluss, in denen sich vermutlich französische Verteidigungsstellungen befanden. Von zahllosen Bränden zwischen den zerbombten Häusern und Höfen stieg schwarzer, fettiger Rauch auf. Der Angriff wurde mit gnadenloser Härte geführt, und Erik empfand Mitleid für alle, die in diesem Inferno gefangen waren.
Es waren die ersten Kampfhandlungen, die er miterlebte. Nicht mehr lange, und er würde mittendrin sein. Vielleicht, überlegte er, schaut dann ein junger französischer Soldat aus seinem sicheren Unterstand zu und hat Mitleid mit uns Deutschen, die in Stücke gerissen und getötet werden. Dieser Gedanke ließ sein Herz vor Furcht und Erregung schneller schlagen.
Erik schaute nach Osten, wo keine Details der Landschaft mehr zu erkennen waren. Dennoch konnte er die Flugzeuge als winzigePunkte ausmachen und die Rauchsäulen zum Himmel steigen sehen. Die Schlacht tobte auf mehrere Meilen den Fluss entlang.
Noch während Erik zuschaute, endete das Bombardement. Die Maschinen drehten nach Norden ab und wackelten zum Gruß mit den Flügeln, als sie über Eriks Kolonne hinwegjagten.
Nicht weit von Eriks Aussichtspunkt entfernt, auf der Ebene am Fluss, rollten die deutschen Panzer zum Angriff. Sie waren noch gut drei Kilometer vom Feind entfernt, doch die französische Artillerie in der Stadt nahm sie bereits unter Beschuss. Erik war überrascht, dass so viele Geschützstellungen das Bombardement durch die deutschen Kampfflieger überlebt hatten. Mündungsfeuer blitzte zwischen den Ruinen; Kanonendonner rollte über die Felder, und französische Erde spritzte auf, wo die Geschosse einschlugen. Erik sah, wie ein Panzer nach einem Volltreffer explodierte. Inmitten einer Rauchsäule flogen glühendes Metall und Körperteile aus der Wanne wie Asche und Lava aus einem Vulkan. Erik wurde bei dem Anblick übel.
Doch der französische Beschuss konnte den deutschen Vormarsch nicht aufhalten. Die Panzer krochen unaufhaltsam auf das Ufer östlich der Stadt zu. Sie hieß Donchery, hatte Weiss gesagt. Den Panzern folgte die Infanterie, auf Lkws oder zu Fuß.
»Verdammter Mist«, sagte Hermann. »Der Luftangriff hat nicht gereicht. Wo ist unsere Artillerie? Sie müssen die schweren Geschütze in der Stadt erledigen, damit unsere Panzer und die Infanterie den Fluss überqueren und einen Brückenkopf errichten können, sonst knallen die Franzmänner uns ab wie die Hasen!«
Erik hätte ihm am liebsten eine runtergehauen. Dieser Jammerlappen! Sie würden gleich in den Kampf ziehen. Da durften sie nicht schwarzsehen. Sie mussten Siegesgewissheit zeigen!
Doch Oberstabsarzt Weiss sagte: »Sie haben recht, Braun. Aber die Munition für unsere Artillerie steckt irgendwo in den Ardennen fest. Wir haben nur noch achtundvierzig Granaten.«
Ein rotgesichtiger Major rannte an ihnen vorbei und brüllte: »Aufsitzen! Aufsitzen!«
Weiss deutete nach vorn. »Wir werden den Verbandplatz da drüben im Osten einrichten«, sagte er, »bei dem Bauernhof.« Erik sah ein niedriges graues Dach, gut einen Kilometer vom Fluss entfernt. »Also los, meine Herrn«, sagte Weiss. »Marsch, marsch!«
Sie sprangen auf den Mannschaftstransportwagen und fuhren rumpelnd den Hügel hinunter. Als sie wieder auf ebenem Gelände waren, bogen sie auf einen Feldweg ein. Erik fragte sich, was sie mit der Familie machen würden, die in dem Gebäude wohnte, das sie als Verbandplatz requirieren wollten. Wahrscheinlich würden sie die Leute einfach rauswerfen. Sollten sie Ärger machen, würde man sie erschießen. Aber wo sollten die armen Schweine hin? Schließlich befanden sie sich mitten auf einem Schlachtfeld.
Doch Eriks Sorgen erwiesen sich als unbegründet: Die Bauern waren längst verschwunden.
Das Gebäude lag ein gutes Stück von den heftigsten Kämpfen entfernt. Es hätte ja auch keinen Sinn gehabt, einen Verbandplatz in Reichweite des feindlichen Feuers aufzuschlagen.
»Schnappen Sie sich die Tragen, und setzen Sie sich in Bewegung«, befahl Weiss. »Wenn Sie zurückkommen, ist hier alles bereit. Los!«
Erik und Hermann holten eine zusammengerollte Trage und einen Erste-Hilfe-Koffer aus dem Versorgungswagen und liefen in Richtung der Kampflinie, gefolgt von einem Dutzend Kameraden, während Christoph und Manfred unmittelbar vor ihnen waren.
Endlich ist es so weit, ging es Erik
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