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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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durch den Kopf. Jetzt haben wir die Gelegenheit, Helden zu werden. Wer wird unter feindlichem Feuer die Nerven behalten, und wer wird sich ängstlich verkriechen?
    Sie rannten über die Felder zum Fluss. Es war eine lange Strecke, und mit einem Verwundeten auf der Trage würde der Rückweg wahrscheinlich noch viel länger werden.
    Sie kamen an qualmenden Panzerwracks vorbei. Hier gab es keine Überlebenden, und Erik wandte den Blick von den verbrannten, verstümmelten Leichen ab, die zwischen dem zerschossenen Metall hingen. Um sie her schlugen Granaten ein, aber noch hielt der Beschuss sich in Grenzen. Es gab nur wenige Verteidiger am Fluss; wie sich herausstellte, waren viele französische Geschützstellungen von der Luftwaffe ausgeschaltet worden. Doch es war das erste Mal, dass auf Erik geschossen wurde, und er verspürte das absurde, kindische Verlangen, die Hand vor die Augen zu schlagen. Doch er bekämpfte seine Angst und rannte weiter.
    Dann detonierte unmittelbar vor ihnen eine Granate.
    Ein ohrenbetäubender Knall ließ die Luft zittern und die Erde beben, als hätte ein Riese mit dem Fuß aufgestampft. Christoph und Manfred wurden voll getroffen. Erik sah, wie ihre Körper hoch in die Luft geschleudert wurden. Dann riss die Wucht der Explosion ihn von den Füßen. Als er mit dem Gesicht nach oben auf dem Boden lag, regnete Erde auf ihn herab, aber er war unverletzt.
    Er rappelte sich auf. Direkt vor ihm lagen die zerfetzten Leichen von Christoph und Manfred. Christoph sah aus wie eine blutige Lumpenpuppe ohne Gliedmaßen, und Manfred war der Kopf abgerissen worden.
    Erik war vor Entsetzen wie gelähmt. An der Uni hatte er nie mit blutenden, verstümmelten Körpern zu tun gehabt. Er kannte Leichen nur aus dem Anatomieunterricht und war dabei gewesen, als ein Körper auf dem Operationstisch aufgeschnitten worden war. Aber nichts davon hatte ihn auf dieses Grauen vorbereitet.
    Erik wollte nur noch weg von hier.
    Mit einem schluchzenden Geräusch drehte er sich um. Sein Kopf war leer. Er empfand nur noch Angst, erbärmliche Angst. Langsam, dann immer schneller bewegte er sich in die Richtung, aus der sie gekommen waren, zurück zum Wald, weg von der Schlacht.
    Hermann trat ihm in den Weg. »Wo willst du hin? Sei kein Narr!«
    Erik versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen, doch Hermann schlug ihm die Faust in den Magen. Erik klappte zusammen.
    »Wenn du wegläufst, du Blödmann, wirst du als Deserteur erschossen!«, rief Hermann. »Reiß dich zusammen, Kerl!«
    Erik rang japsend nach Luft und kam langsam wieder zur Besinnung. Hermann hatte recht. Er durfte nicht weglaufen, durfte nicht desertieren. Er musste hierbleiben und weiterkämpfen. Nach und nach gelang es ihm, seine Furcht zu überwinden. Stöhnend rappelte er sich auf.
    Hermann musterte ihn misstrauisch.
    »Tut mir leid«, sagte Erik. »Ich hab die Panik bekommen, aber jetzt geht’s wieder. Alles in Ordnung.«
    »Dann schnapp dir die Trage, und setz deinen Arsch in Bewegung!«
    Erik nahm sich eine der zusammengerollten Tragen, legte sie sich über die Schulter, drehte sich um und rannte los.
    Näher am Fluss fanden Erik und Hermann sich inmitten der Infanterie wieder. Einige Soldaten zogen aufgeblasene Schlauchboote von den Lastwagen und trugen sie zum Fluss, während die Panzer versuchten, ihnen Deckung zu geben, indem sie die französischen Stellungen unter Beschuss nahmen. Doch Erik sah, dass diese Schlacht verloren war. Die Franzosen hatten sich in Häusern und hinter Mauern verschanzt, während die deutsche Infanterie am Ufer keinerlei Deckung hatte. Kaum gelang es den Männern, ein Schlauchboot zu Wasser zu lassen, wurde es auch schon von feindlichen Maschinengewehren in Fetzen gerissen.
    Weiter stromaufwärts beschrieb der Fluss eine scharfe Rechtsbiegung; aber diese Stelle war so weit weg, dass die Infanteristen die Entfernung im feindlichen Feuer unmöglich überbrücken konnten.
    Schon jetzt war der Boden mit Toten und Verwundeten übersät.
    »Los, wir nehmen den hier«, sagte Hermann, und Erik machte sich an die Arbeit. Neben einem stöhnenden Infanteristen entrollten sie ihre Trage. Wie er es in der Ausbildung gelernt hatte, gab Erik dem Verwundeten Wasser aus seiner Feldflasche. Der Mann hatte mehrere oberflächliche Gesichtswunden, und sein rechter Arm schien gelähmt zu sein. Erik nahm an, dass er von einer Maschinengewehrgarbe erwischt worden war, doch lebenswichtige Organe schienen zum Glück nicht verletzt zu sein. Jedenfalls sahen

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