Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Geduld. »Wo sind meine anderen Großeltern? Habe ich Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen?«
    »Teddy Williams war Waise«, sagte Ethel.
    »In welchem Waisenhaus ist er aufgewachsen?«
    »Warum bist du so starrköpfig?« Ethel hob die Stimme.
    Nicht minder gereizt entgegnete Lloyd: »Weil ich genauso bin wie du.«
    Bernie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Da hat er recht.«
    Lloyd blieb ernst. »Wie hieß das Waisenhaus?«
    »Kann sein, dass er es mir irgendwann einmal gesagt hat, aber ich erinnere mich nicht mehr. Ich glaube, es war in Cardiff.«
    Onkel Billy meldete sich zu Wort. »Da berührst du ’nen wunden Punkt, Boyo. Trink dein Bier und lass es bleiben.«
    Lloyd erwiderte verärgert: »Auch für mich ist das ein wunder Punkt, Onkel Billy. Und ich habe von den Lügen die Nase voll.«
    »Na, na«, sagte Bernie, »jetzt reden wir aber nicht von Lügen.«
    »Tut mir leid, Dad, aber das muss mal gesagt werden.« Lloyd hob die Hand, um jeden Einwand zu unterbinden. »Als ich das letzte Mal nach Teddy Williams’ Familie gefragt habe, hat Mutter mir gesagt, sie käme aus Swansea, sei aber viel herumgezogen, weil der Beruf des Vaters das mit sich gebracht hätte. Jetzt sagt sie, Teddy sei in einem Waisenhaus in Cardiff aufgewachsen. Eine dieser Geschichten ist erlogen – wenn nicht beide.«
    Endlich blickte Ethel ihm in die Augen. »Bernie und ich, wir haben dich genährt und gekleidet und zur Schule und auf die Universität geschickt«, sagte sie ungehalten. »Du kannst dich nicht beschweren.«
    »Ich weiß. Und ich werde euch immer dankbar sein und euch immer lieben«, sagte Lloyd. »Trotzdem möchte ich eine Antwort auf meine Frage.«
    »Aber wieso gerade jetzt?«, wollte Billy wissen.
    »Wegen etwas, das jemand in Aberowen zu mir gesagt hat.«
    Ethel sagte nichts dazu, doch in ihren Augen funkelte die Angst. Irgendjemand in Wales kennt die Wahrheit, ging es Lloyd durch den Kopf.
    Unerbittlich fuhr er fort: »Mir wurde gesagt, dass Maud Fitzherbert 1914 möglicherweise schwanger wurde. Du, Mam, hättest ihr Baby als dein Kind ausgegeben und wärst dafür mit dem Haus auf der Nutley Street belohnt worden.«
    Ethel gab einen verächtlichen Laut von sich.
    Lloyd hob die Hand. »Das würde zwei Dinge erklären«, sagte er. »Erstens die nicht standesgemäße Freundschaft zwischen dir und Lady Maud.« Er griff in seine Jackentasche. »Und zweitens dieses Konterfei von mir mit Backenbart.« Er zeigte den anderen das Foto.
    Ethel starrte stumm darauf.
    »Das könnte doch ich sein, oder?«, bohrte Lloyd nach.
    »Ja, Lloyd, das könntest du sein«, sagte Billy unwirsch. »Aber offensichtlich bist du’s nicht. Also hör auf mit den Faxen und sag uns, wer der Mann auf diesem Foto ist.«
    »Das ist Earl Fitzherberts Vater. Und jetzt hör du mit den Faxen auf, Onkel Billy – und auch du, Mam. Bin ich Mauds Sohn?«
    »Die Freundschaft zwischen Maud und mir war vor allem ein politisches Bündnis«, sagte Ethel. »Sie zerbrach, als wir uns bei der Frage nach der richtigen Strategie beim Kampf um das Frauenwahlrecht überworfen haben, aber wir konnten den Riss wieder kitten. Ich mag Maud sehr gern, und sie hat mir wichtige Gelegenheiten verschafft, im Leben voranzukommen, aber irgendeine geheime Bindung zwischen uns gibt es nicht. Sie weiß nicht, wer dein leiblicher Vater ist.«
    »Das würde ich gern glauben, Mam«, sagte Lloyd. »Aber dieses Foto …«
    »Die Erklärung für die Ähnlichkeit …«, setzte Ethel an und verstummte.
    Lloyd wollte nicht zulassen, dass sie sich wieder herauswand. »Komm schon«, drängte er. »Sag mir die Wahrheit.«
    Erneut meldete Onkel Billy sich zu Wort. »Du bellst den falschen Baum an, Boyo.«
    »Wirklich? Dann erklär du es mir!«
    »Das steht mir nicht zu.«
    Das kam beinahe einem Geständnis gleich. »Also hast du tatsächlich gelogen.«
    Bernie blickte fassungslos drein. »Willst du damit sagen, Billy, dass die Geschichte mit Teddy Williams nicht wahr ist?« Offensichtlich hatte er sie all die Jahre geglaubt, genau wie Lloyd.
    Billy gab keine Antwort.
    Alle blickten Ethel an.
    »Ach, verdammt«, sagte sie. »Mein Vater würde sagen: ›Wisset, dass eure Sünde euch finden wird.‹ Du hast nach der Wahrheit gefragt, Lloyd, also sollst du sie erfahren, auch wenn sie dir nicht gefallen wird.«
    »Warten wir’s ab«, sagte Lloyd unbekümmert.
    »Ich bin deine Mutter«, sagte Ethel. »Du bist der Sohn von Fitz.«

    Am Tag darauf, am Freitag, dem 10. Mai, marschierte die

Weitere Kostenlose Bücher