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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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bereits erzählt, wer sein wirklicher Vater war. Daisy hatte ihm sofort geglaubt, zumal Boy ihr einmal anvertraut hatte, sein Vater habe ein uneheliches Kind. »Also, das ist wirklich unheimlich«, hatte sie gesagt. »Die beiden Engländer, in die ich mich verliebe, stellen sich als Halbbrüder heraus.« Sie musterte Lloyd kritisch. »Du hast das gute Aussehen deines Vaters geerbt. Boy hat nur seine Selbstsucht abbekommen.«
    Noch hatte Daisy nicht mit Lloyd geschlafen. Ein Grund dafür war, dass sie keine Nacht frei hatte. Und das eine Mal, als sie die Gelegenheit gehabt hatten, war alles schiefgegangen. Es war am letzten Sonntag gewesen, in Daisys Haus in Mayfair. Ihre Dienstboten hatten den Sonntagnachmittag frei, und sie hatte Lloyd mit in ihr Schlafzimmer genommen. Zuerst hatte sie Lloyd zu Zärtlichkeiten animiert, dann aber hatte sie der Mut verlassen.
    »Es tut mir leid«, hatte sie gesagt. »Ich liebe dich, aber ich kann meinen Mann nicht in seinem eigenen Haus betrügen.«
    »Er hat dich betrogen«, hatte Lloyd erwidert.
    »Aber nicht in den eigenen vier Wänden.«
    »Wenn du es so siehst …«
    Sie schaute ihn an. »Findest du das albern?«
    Lloyd zuckte die Achseln. »Nach allem, was wir hinter uns haben, kommt es mir ein bisschen etepetete vor. Aber ich wäre ein Schuft, wenn ich dich zu etwas drängen würde, wozu du noch nicht bereit bist.«
    Sie hatte ihn umarmt und an sich gedrückt. »Du bist wirklich erwachsen.«
    Die angenehmen Gedanken an Daisy beschäftigten Lloyd auf dem ganzen Weg zur Haltestelle Embankment, als er mit der U-Bahn in die Londoner Innenstadt fuhr. Dann ging er zu Fuß über die Northumberland Avenue zum Hotel Metropole. Die luxuriöse Einrichtung war zum größten Teil weggeräumt und durch zweckmäßige Tische und Stühle ersetzt worden.
    Nachdem Lloyd ein paar Minuten gewartet hatte, wurde er zu einem hochgewachsenen Colonel geführt. »Ich habe Ihren Bericht gelesen, Lieutenant«, sagte er. »Gut gemacht.«
    »Danke, Sir.«
    »Wir rechnen damit, dass andere in Ihre Fußstapfen treten, was Ihre Flucht angeht. Wir möchten diesen Männern gern helfen, besonders, wenn es sich um Piloten handelt, die einen Absturz überlebt haben. Ihre Ausbildung ist teuer, und wir brauchen sie hier, um die Angriffe der Luftwaffe zurückzuschlagen.«
    Lloyd nickte. Es war brutal, Männer, die eine Bruchlandung überlebt hatten, aufzufordern, dieses tödliche Risiko sofort wieder auf sich zu nehmen, aber auch Verwundete wurden unmittelbar nach ihrer Genesung wieder in den Kampf geschickt. So war der Krieg.
    »Wir richten eine Art Untergrund-Transportsystem ein«, fuhr der Colonel fort, »von Deutschland bis nach Spanien. Mir wurde gesagt, Sie sprechen Deutsch, Französisch und Spanisch; vor allem aber kennen Sie die Situation aus eigenem Erleben. Wir würden Sie gern in unsere Abteilung versetzen lassen.«
    Lloyd war nicht sicher, was er davon halten sollte. »Danke, Sir, ich fühle mich geehrt. Aber ist das ein Schreibtischposten?«
    »Keineswegs. Wir möchten Sie nach Frankreich zurückschicken.«
    Lloyd erschrak. Er hatte nicht damit gerechnet, sich diesen Gefahren erneut stellen zu müssen.
    Der Colonel sah ihm sein Entsetzen an. »Sie wissen, wie gefährlich das ist, nicht wahr?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Sie können selbstverständlich ablehnen.«
    Lloyd dachte an Daisy im Bombenkrieg und an die Menschen, die in der Peabody-Mietskaserne jämmerlich verbrannt waren. »Wenn Sie es für wichtig halten, Sir, gehe ich.«
    »Guter Mann«, sagte der Colonel.
    Eine halbe Stunde später ging Lloyd ein wenig benebelt zur U-Bahn-Station zurück. Er gehörte nun einer Abteilung an, die MI 9 genannt wurde, und würde mit falschen Papieren und einer großen Summe Bargeld nach Frankreich zurückkehren. Mittlerweile war in den besetzten Gebieten ein Netz aus Deutschen, Holländern, Belgiern und Franzosen geknüpft worden, um Piloten aus Großbritannien und dem Commonwealth bei der Rückkehr in die Heimat zu unterstützen. Lloyd sollte als einer von zahlreichen MI 9-Agenten dieses Netz vergrößern.
    Es war eine lebensgefährliche Aufgabe. Wenn man ihn fasste, musste er mit Folter und Tod rechnen.
    Zwar fürchtete er sich vor den Gefahren, zugleich aber war er aufgeregt. Er würde nach Madrid fliegen; es wäre das erste Mal, dass er in ein Flugzeug stieg. Über die Pyrenäen sollte er nach Frankreich reisen und Verbindung zu Teresa aufnehmen. Er würde sich verkleidet innerhalb der besetzten Gebiete bewegen und

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