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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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die Volksgenossen anzugreifen?«
    »Seid still, ihr zwei«, sagte Walter.
    Erik und Carla schauten ihn an. Da war ein neuer Beiklang in Walters Stimme. »Vielleicht hat Erik recht«, sagte er. »Dann wird das Krankenhaus uns alle Fragen zu Kurts und Axels Tod beantworten.«
    »Natürlich habe ich recht«, erklärte Erik.
    »Sollte allerdings Carla recht haben«, fuhr Walter fort, »werden sie versuchen, jegliche Nachforschung zu unterbinden. Sie werden Informationen zurückhalten und die Eltern toter Kinder einschüchtern, indem sie ihnen mitteilen, dass solche Fragen gegen das Gesetz verstoßen.«
    Dieser Gedanke schien Erik gar nicht zu gefallen. »Unsinn!«
    Vor zehn Minuten war Walter noch ein deprimierter, in sich gekehrter Mann gewesen. Doch auf einmal schien sein altes Feuer wieder aufzulodern. »Ob es Unsinn ist oder nicht, werden wir nur herausfinden, wenn wir Fragen stellen.«
    Carla sagte: »Ich gehe zu Frieda.«
    »Musst du denn nicht arbeiten?«, fragte Maud.
    »Ich habe Spätschicht.«
    Carla rief Frieda an und erzählte ihr, dass der kleine Kurt ebenfalls gestorben sei. »Ich komme zu dir, dann reden wir darüber.« Sie zog den Mantel an, setzte sich den Hut auf, streifte sich die Handschuhe über und trug ihr Fahrrad nach draußen. Sie war eine schnelle Radlerin; es dauerte nur eine Viertelstunde, bis sie die Villa der Francks in Schöneberg erreicht hatte.
    Der Butler ließ sie ein und teilte ihr mit, die Familie sei im Speisezimmer. Kaum hatte Carla das Zimmer betreten, fuhr Ludwig Franck, Friedas Vater, sie an: »Was haben sie euch im Kinderkrankenhaus am Wannsee erzählt?«
    Carla mochte ihn nicht. Er war ein erzkonservativer Grobian und hatte die Nazis zu Anfang unterstützt. Vielleicht hatte er – wie viele andere Geschäftsleute – seine Ansichten geändert, aber fallsdas zutraf, zeigte er keine Reue, sich in den Nationalsozialisten so schrecklich geirrt zu haben.
    Carla antwortete nicht sofort. Sie setzte sich an den Tisch und ließ den Blick über die Gesichter schweifen: Ludwig und Monika, Werner und Frieda und im Hintergrund der Butler.
    »Komm schon, Mädchen, antworte!«, drängte Ludwig Franck. In der Hand hielt er einen Brief, der genauso aussah wie das Schreiben, das Ada bekommen hatte. Wütend wedelte er damit herum.
    Monika legte ihm die Hand auf den Arm. »Beruhige dich, Ludwig.«
    »Ich will es wissen!«, brüllte er.
    Carla blickte in Ludwigs rosa Gesicht mit dem kleinen schwarzen Schnurrbart. Sie sah deutlich, wie sehr ihm die Trauer zu schaffen machte. Normalerweise hätte sie kein Wort zu jemandem gesagt, der so rüde mit ihr umsprang, doch Ludwig Franck hatte eine Entschuldigung für sein Verhalten. »Der Chefarzt, Professor Willrich, sagte uns, es gebe eine neue Therapie für Kinder wie Kurt.«
    »Das hat er uns auch gesagt.« Ludwig nickte. »Was für eine Therapie ist das?«
    »Diese Frage habe ich ihm auch gestellt. Er hat gesagt, ich würde es nicht verstehen. Als ich auf einer Antwort bestanden habe, sagte er, es sei eine Medikamententherapie. Dürfte ich vielleicht mal Ihren Brief sehen, Herr Franck?«
    Obwohl Ludwigs Miene besagte, dass es nur an ihm sei, Fragen zu stellen, reichte er Carla das Schreiben.
    Es war genau der gleiche Brief, wie Ada ihn erhalten hatte. Carla überkam das seltsame Gefühl, dass die Sekretärin einen Vordruck benutzt und nur die Namen geändert hatte. Mein Gott, ging es ihr durch den Kopf, wie viele solcher Briefe haben die verschickt?
    »Wieso sterben da zwei Kinder an den Masern?«, wollte Franck wissen. »Das ist doch ein Krankenhaus, verdammt! Das müssen sie doch frühzeitig erkannt haben!«
    »Kurt ist mit Sicherheit nicht an den Masern gestorben«, meldete Carla sich zu Wort. »Die hatte er vor Jahren schon.«
    »Jetzt reicht’s«, sagte Ludwig. »Genug geredet.« Er riss Carla den Brief aus der Hand. »Ich werde mit jemandem in der Regierung über die Sache sprechen.« Er ging hinaus. Monika und der Butler folgten ihm.
    Carla ging zu Frieda und nahm ihre Hand. »Es tut mir schrecklich leid.«
    »Danke«, flüsterte Frieda.
    Carla ging zu Werner. Er stand auf und nahm sie in die Arme. Als Carla seine Tränen spürte, hätte sie beinahe die Fassung verloren. Schließlich löste Werner sich von ihr. »Mein Vater hat zweimal in diesem Krankenhaus angerufen«, sagte er mit rauer Stimme. »Beim zweiten Mal haben sie ihn abgefertigt. Sie haben gesagt, sie hätten keine weiteren Informationen, und haben einfach aufgelegt. Aber ich werde

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