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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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und tanzte mit Frieda. Er trug ein schwarzes Jackett und eine schwarze Weste, was ihm zusammen mit seinem langen dunklen Haar ein beinahe düsteres Aussehen verlieh. Frieda mochte Heinrich, wollte aber nicht mit ihm gehen, weil er ihr mit seinen fünfundzwanzig Jahren zu alt war.
    Es dauerte nicht lange, und ein Junge, den sie nicht kannte, kam zu Carla und tanzte mit ihr. Der Abend fing gut an.
    Carla ging ganz in der Musik auf: dem sexuell aufgeladenen Beat, den verführerisch gesummten Texten, den fetzigen Trompetensolos und dem fröhlichen Klang der Klarinette. Sie wirbelte übers Parkett, ließ ihren Rock gefährlich hochfliegen, warf sich in die Arme ihres Partners und sprang wieder hinaus.
    Nachdem sie gut eine Stunde getanzt hatte, legte Werner ein langsameres Stück auf. Frieda und Heinrich tanzten Wange an Wange. Da niemand in der Nähe war, den Carla gut genug kannte, um so mit ihm zu tanzen, verließ sie den Lagerraum und ging sich eine Cola holen. Da das Großdeutsche Reich sich nicht im Krieg mit den USA befand, wurde das Getränk nach wie vor importiert und in Deutschland abgefüllt.
    Zu Carlas Überraschung folgte Werner ihr hinaus und überließ das Plattenauflegen eine Zeit lang jemand anderem. Carla fühlte sich geschmeichelt, als der attraktivste Junge weit und breit ein Gespräch mit ihr begann. Sie erzählte ihm, dass Adas Sohn Kurt nach Akelberg in Bayern gebracht werden sollte, um dort medizinisch behandelt zu werden. Werner erwiderte verwundert, genau das habe man auch mit seinem fünfzehnjährigen Bruder Axel gemacht. Axel war mit einer Spina bifida geboren worden, einem offenen Rücken. »Kann dieselbe Therapie denn bei beiden anschlagen, wo es doch ganz unterschiedliche Krankheiten sind?«, fragte er skeptisch.
    »Ich habe da meine Zweifel«, erwiderte Carla, »aber genau weiß ich es nicht.«
    »Wie kommt es eigentlich, dass Ärzte einem so etwas nie erklären?«
    Carla lachte freudlos. »Weil sie befürchten, dass kein Normalsterblicher sie mehr als Halbgötter in Weiß anbetet, wenn er sie versteht.«
    »Wie bei Zauberern, hm? Die Schau ist eindrucksvoller, wenn man keine Ahnung hat, wie’s geht«, sagte Werner. »Ärzte sind genauso egozentrisch wie alle anderen.«
    »Die meisten sind sogar noch schlimmer«, sagte Carla. »Als angehende Krankenschwester weiß ich, wovon ich rede.«
    Sie erzählte Werner von dem Flugblatt, das sie im Zug gelesen hatte. »Und?«, fragte er. »Wie denkst du darüber?«
    Carla zögerte. Es war gefährlich, offen über solche Dinge zu sprechen. Aber sie kannte Werner schon ihr Leben lang. Er war kein Nazi-Freund; sie konnte ihm vertrauen. »Es freut mich, dass jemand den Nazis Widerstand leistet«, sagte sie. »Das zeigt, dass nicht alle Deutschen vor Angst wie gelähmt sind.«
    »Es gibt vieles, was man gegen die Nazis unternehmen kann«, erwiderte Werner leise. »Nicht nur Lippenstift auftragen.«
    Carla fragte sich, ob er damit andeuten wollte, dass auch sie Flugblätter verteilen solle. War er vielleicht selbst in solche Aktivitäten verwickelt? Nein, sicher nicht. Dafür war er viel zu sehr Gigolo. Heinrich hingegen … Der war immer so ernst.
    »Also, ich halte mich da lieber zurück«, sagte Carla. »Ich habe zu viel Angst.«
    Sie tranken ihre Cola und kehrten in den Lagerraum zurück. Inzwischen war er brechend voll, sodass man kaum noch Platz zum Tanzen hatte.
    Zu Carlas Überraschung bat Werner sie um den letzten Tanz und legte Bing Crosbys »Only Forever« auf. Carla war hingerissen, als Werner sie an sich drückte, während sie sich im Takt der Musik wiegten.
    Zum Schluss schaltete jemand wie üblich für eine Minute das Licht aus, damit die Paare sich küssen konnten. Carla war verlegen; schließlich kannte sie Werner seit ihrer Kindheit. Aber sie hatte immer schon für ihn geschwärmt, und so hob sie erwartungsvoll den Kopf. Er küsste sie gekonnt, und sie erwiderte seine Zärtlichkeiten. Sie zitterte, als sie seine Hand auf ihrer Brust spürte, ermutigte ihn jedoch, indem sie den Mund öffnete. Dann flammte das Licht wieder auf, und der Zauber des Augenblicks verflog.
    »Meine Güte«, sagte Carla atemlos, »das war ja mal eine Überraschung.«
    Werner schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. »Vielleicht kann ich dich irgendwann ja noch mal überraschen.«

    Carla ging durch den Flur, um in der Küche zu frühstücken, als das Telefon klingelte. Sie nahm ab. »Carla von Ulrich.«
    Sie hörte Friedas verzweifelte Stimme. »Carla, mein

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