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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Schaffst du das?«
    Nach langem Schweigen sagte Ilse: »Ja, ich komme mit.«

    Wolodja Peschkow war froh, wieder zu Hause zu sein. Moskau war wunderbar im Sommer, sonnig und warm. Am Montag, dem 30. Juni, kehrte Wolodja ins Hauptquartier der GRU am Flughafen Chodynka zurück.
    Sowohl Werner Franck als auch der Spion in Tokio hatten recht behalten: Deutschland hatte die Sowjetunion am 22. Juni überfallen. Wolodja und sämtliches Personal der sowjetischen Botschaft in Berlin waren per Schiff und Bahn nach Moskau zurückgebracht worden. Wolodja hatte Priorität genossen und war deshalb schneller als die meisten anderen nach Hause gekommen; einige waren noch immer unterwegs.
    Inzwischen war Wolodja bewusst, wie sehr Berlin ihn belastet hatte. Die Nazis mit ihrer Selbstgefälligkeit hatten an seinen Nerven gezehrt. Sie waren wie eine Fußballmannschaft, die soeben gewonnen hatte, sich auf der Siegesfeier immer mehr betrank und sich weigerte, wieder nach Hause zu gehen. Wolodja war sie einfach leid.
    Einige Leute würden sicher sagen, die UdSSR mit ihrer Geheimpolizei, ihrer orthodoxen Doktrin, ihrer puritanischen Haltung, was Vergnügungen betraf, und ihrer Ablehnung von abstrakter Kunst und westlicher Mode sei nicht besser als Nazi-Deutschland. Aber da irrten sie sich. Der Kommunismus befand sich schließlich noch im Aufbau, und auf dem Weg zum Ziel wurden unweigerlich Fehler gemacht. Der NKWD mit seinen Folterkammern war allerdings eine Abscheulichkeit, ein Krebsgeschwür im Leib des Kommunismus. Eines Tages würde man es herausschneiden, nicht aber während des Krieges.
    In Vorbereitung auf den unvermeidlichen Krieg hatte Wolodja seine Spione in Berlin schon vor längerer Zeit mit Funkgeräten und Codebüchern versorgt. Jetzt war es wichtiger denn je, dass die Handvoll tapferer Nazi-Gegner weiterhin Informationen an die Sowjetunion lieferten. Vor seiner Abreise hatte Wolodja sämtlicheNamens- und Adresslisten vernichtet; jetzt existierten sie nur noch in seinem Kopf.
    Wolodjas Eltern war es gut ergangen; allerdings hatte sein Vater ein wenig angespannt ausgesehen. Kein Wunder, denn er war für die Luftverteidigung Moskaus verantwortlich. Auch seine Schwester Anja und ihren Mann, Ilja Dworkin, hatte Wolodja bereits besucht und sich die Zwillinge angeschaut, die inzwischen achtzehn Monate alt waren: Dmitri, genannt Dimka, und Tatjana, genannt Tanja. Ilja war für Wolodja immer noch das »Rattengesicht«.
    Nach einem angenehmen Tag daheim und einem langen, geruhsamen Schlaf in seinem alten Zimmer war Wolodja wieder bereit, sich an die Arbeit zu machen.
    Er ging durch die Sicherheitsschleusen am Eingang des GRU -Gebäudes. Die vertrauten Flure und Treppen weckten nostalgische Gefühle in ihm, obwohl sie alles andere als einladend aussahen. Während er durch das Gebäude ging, rechnete Wolodja damit, dass Leute auf ihn zutraten und ihm gratulierten. Schließlich mussten viele von ihnen wissen, dass er es gewesen war, der die Informationen über das Unternehmen Barbarossa bestätigt hatte. Aber niemand näherte sich ihm. Na ja, vielleicht waren die Leute einfach nur diskret.
    Wolodja betrat einen großen, offenen Bereich, wo die Sekretärinnen und Archivare arbeiteten, und wandte sich an eine Empfangsdame mittleren Alters: »Hallo, Nika. Sie sind ja noch immer hier.«
    »Guten Morgen, Genosse Hauptmann«, sagte sie nicht ganz so warmherzig, wie Wolodja gehofft hatte. »Oberst Lemitow würde Sie gern sofort sehen.«
    Wie Wolodjas Vater war auch Lemitow nicht wichtig genug gewesen, um der Großen Säuberung in den Dreißigerjahren zum Opfer zu fallen. Jetzt hatte man ihn auf den Posten seines einstigen Vorgesetzten befördert, der nicht so viel Glück gehabt hatte. Wolodja wusste nicht viel über die Säuberungen, aber es fiel ihm schwer zu glauben, dass so viele hochrangige Offiziere Vaterlandsverräter oder Konterrevolutionäre gewesen sein sollten. Was genau mit ihnen geschehen war, wusste Wolodja nicht. Vielleicht waren sie nach Sibirien verbannt worden, oder sie waren tot. Auf jeden Fall waren sie verschwunden.
    »Der Genosse Oberst hat jetzt das große Büro am Ende des Hauptflurs«, fügte Nika hinzu.
    Wolodja machte sich auf den Weg dorthin und nickte ein, zwei Bekannten zu. Doch wieder hatte er das Gefühl, nicht der Held zu sein, für den er sich hielt. Schließlich klopfte er an Lemitows Tür. Vielleicht konnte sein Vorgesetzter ihm die seltsame Zurückhaltung der Leute erklären.
    »Herein.«
    Wolodja trat ein,

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