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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Bobrow drei Soldaten der Internationalen Brigaden erschossen hatte, nur weil sie sich zurückgezogen hatten, als ihnen die Munition ausgegangen war. Jetzt trug Bobrow Zivilkleidung. Wolodja fragte sich, ob er nun die Frau erschießen würde, die ihm den Weg versperrt hatte.
    Bobrow stapfte vor den Wagen und packte den Igel. Der war schwerer als erwartet, doch mit aller Kraft gelang es Bobrow, ihn beiseitezuziehen.
    Als er zum Wagen zurückging, stellte die Frau mit der Kappe den Igel wieder vor das Auto.
    Die anderen Freiwilligen drängten näher heran, beobachteten die Konfrontation, grinsten und machten Witze.
    Bobrow ging zu der Frau und zog einen Ausweis aus der Tasche. »Ich bin General Bobrow!«, sagte er. Offenbar hatte man ihn befördert. »Lassen Sie mich durch!«
    »Sie nennen sich einen Soldaten?«, schnaubte die Frau. »Warum kämpfen Sie dann nicht?«
    Bobrow lief knallrot an. Er wusste, dass die Verachtung der Frau gerechtfertigt war. Wolodja fragte sich, ob der Menschenschinder von seiner jungen Geliebten zur Flucht überredet worden war.
    »Sie sind ein Verräter«, sagte die Frau mit der Kappe. »Ein Feigling, der versucht, mit seiner jungen Schlampe abzuhauen.« Sie schlug ihm den Hut vom Kopf.
    Wolodja staunte. Woher nahm die Frau den Mut? Es war gefährlich, den Autoritäten zu trotzen, zumal in der Sowjetunion. Damals in Berlin, vor der Machtergreifung der Nazis, hatte es Wolodja überrascht, dass ganz normale Deutsche furchtlos Polizeibeamten widersprochen hatten; doch hier gab es so etwas einfach nicht.
    Die anderen Frauen jubelten.
    Bobrow hatte noch immer kurz geschorenes weißes Haar. Nun beobachtete er, wie sein Hut über die nasse Straße rollte. Er machte einen Schritt hinterher, besann sich dann aber eines Besseren.
    Wolodja dachte gar nicht erst daran, sich einzumischen. Er konnte ohnehin nichts gegen den Mob ausrichten, und für Bobrow konnte er kein Mitleid aufbringen. Es geschah dem Mann nur recht, wenn er mit der gleichen Brutalität behandelt wurde, die er anderen gegenüber gezeigt hatte.
    Eine weitere Freiwillige, eine ältere Frau, die sich in eine schmutzige Decke gewickelt hatte, öffnete den Kofferraum desWagens. »Schaut euch das mal an!«, rief sie. Der Kofferraum war voll mit Lederkoffern. Die Frau zog einen davon heraus und öffnete die Schnallen. Der Deckel sprang auf, und der Inhalt fiel heraus: Spitzenunterwäsche und Nachthemden, Seidenstrümpfe und Mieder. Es war erkennbar Ware aus dem Westen, denn sie war deutlich feiner als alles, was eine normale russische Frau je zu sehen bekam, geschweige denn, sich leisten konnte. Die dünnen Leibchen fielen in den Dreck der Straße und klebten dort wie Blütenblätter auf einem Misthaufen.
    Ein paar Frauen rafften die Sachen an sich. Andere schnappten sich weitere Koffer. Bobrow lief hinter seinen Wagen und stieß die Frauen weg. Jetzt wird es übel, ging es Wolodja durch den Kopf. Bobrow trug vermutlich eine Waffe, und die würde er jeden Augenblick ziehen. Dann aber geschah etwas Unerwartetes: Die Frau in der Decke hob einen Spaten und schmetterte ihn Bobrow auf den Kopf. Und eine Frau, die einen Graben ausheben konnte, war kein Schwächling. Ein Übelkeit erregendes Krachen war zu hören. Der General fiel zu Boden, und die Frauen traten auf ihn ein.
    Bobrows Geliebte stieg aus dem Wagen.
    Die Frau mit der Kappe schrie: »Bist du gekommen, um uns beim Graben zu helfen?« Die anderen lachten.
    Die Geliebte des Generals, die knapp dreißig zu sein schien, senkte den Kopf und ging den Weg zurück, den sie mit dem Auto gekommen war, duckte sich zwischen den Panzersperren hindurch und rannte los. Die Frau mit der Männerkappe lief ihr hinterher. Die Geliebte des Generals trug hochhackige Schuhe; nun rutschte sie aus und stürzte zu Boden. Die Pelzmütze fiel ihr vom Kopf. Ehe ihre Verfolgerin heran war, rappelte sie sich auf und rannte weiter. Die Frau mit der Kappe schnappte sich die Pelzmütze und ließ die jüngere ziehen.
    Inzwischen lagen sämtliche Koffer offen um den verlassenen Wagen verstreut. Die Arbeiterinnen holten die Kartons vom Rücksitz, drehten sie um und leerten den Inhalt auf die Straße. Besteck fiel heraus; Porzellan zerbrach; Gläser zersprangen in tausend Scherben. Bestickte Bettlaken und weiße Handtücher wurden durch den Dreck gezerrt, und ein Dutzend teurer Schuhe kullerten über den Asphalt.
    Bobrow stemmte sich auf ein Knie und versuchte, auf die Beinezu kommen. Wieder schmetterte die Frau mit der

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