Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Superbombe bauen.«
Wolodja war erstaunt. Er musste daran denken, was Zoja Worotsyntow ihm erzählt hatte. Das bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen.
Lemitow fuhr fort: »Es gibt nur ein Problem mit dieser Information.«
»Und welche?«
»Wir haben sie übersetzt, verstehen aber noch immer kein Wort.« Lemitow reichte Wolodja einen kleinen Stapel Papier.
Wolodja las laut eine Überschrift: »Die Separation von Isotopen durch Diffusion …«
»Verstehen Sie, was ich meine?«
»Allerdings«, erwiderte Wolodja. »Ich habe Sprachen studiert, aber das hier scheint mir eine Sache für einen Physiker zu sein.«
»Sie haben doch mal eine Physikerin erwähnt, die Sie kennen.« Lemitow lächelte. »Eine gut aussehende Blondine, die es abgelehnt hat, mit Ihnen ins Kino zu gehen, wenn ich mich recht entsinne.«
Wolodja lief rot an. Er hatte Kamen von Zoja erzählt; offenbar hatte Kamen dieses Gerücht verbreitet. Da lag das Problem, wenn der eigene Chef ein Spion war: Er wusste immer alles. »Sie ist eine Freundin der Familie«, sagte Wolodja. »Sie hat mir mal von einem Vorgang erzählt, den man Kernspaltung nennt. Wollen Sie, dass ich sie frage?«
»Ja, aber inoffiziell. Ich will das nicht an die große Glocke hängen, bevor ich es nicht selbst verstanden habe. Vielleicht ist dieser Frunze ja nur verrückt, und am Ende stehen wir dann dumm da. Finden Sie heraus, worum es in diesen Berichten geht und ob Frunzes Gerede für einen Wissenschaftler Sinn ergibt. Sollten die Informationen echt sein, müssen wir uns natürlich fragen, ob die Briten und Amerikaner diese Superbombe vielleicht schon bauen können. Und was ist mit den Deutschen?«
»Ich habe Zoja seit zwei, drei Monaten nicht mehr gesehen.«
Lemitow zuckte mit den Schultern. Ihm war es egal, wie gut Wolodja die Frau kannte oder nicht. Wenn die sowjetische Regierung Fragen stellte, hatte man keine andere Wahl, als zu antworten.
»Ich werde sie finden.«
Lemitow nickte. »Heute noch«, sagte er und ging hinaus.
Wolodja legte nachdenklich die Stirn in Falten. Zoja war sicher gewesen, dass die Amerikaner an einer Superbombe bastelten, und sie hatte Grigori überzeugt, dies Stalin gegenüber zu erwähnen. Stalin jedoch hatte den Gedanken verworfen. Und jetzt sagte ein Spion in England das Gleiche, was auch Zoja gesagt hatte. Es sah aus, als hätte sie recht gehabt. Und Stalin hatte sich geirrt … wieder einmal.
Die sowjetische Elite hatte die gefährliche Neigung, die Wahrheit zu leugnen, wenn die Nachricht schlecht war. Erst letzte Woche hatte ein Luftaufklärer deutsche Fahrzeuge nur hundert Kilometer vor Moskau entdeckt; der Generalstab hatte diese Meldung erst geglaubt, nachdem sie von zwei weiteren Quellen bestätigt worden war. Dann hatten sie den Luftwaffenoffizier, der die ursprüngliche Meldung gemacht hatte, verhaften und vom NKWD wegen »Provokation« foltern lassen.
Es war schwer, langfristig zu denken, wo die Deutschen schon so nah waren. Doch die Möglichkeit, dass eine Bombe existierte, die Moskau dem Erdboden gleichmachen konnte, durfte nicht einfach beiseitegeschoben werden, auch nicht in diesem Augenblick größter Gefahr. Und sollte die Sowjetunion die Deutschen doch noch besiegen, würde sie früher oder später von Großbritannien oder den USA angegriffen. In diesem Fall durfte die UdSSR einer imperialistisch-kapitalistischen Superbombe nicht hilflos ausgeliefert sein.
Wolodja befahl seinem Assistenten, Leutnant Below, Zojas Adresse ausfindig zu machen.
Während er wartete, studierte er Frunzes Berichte im englischen Original und in der Übersetzung und prägte sich ein, was er für die Schlüsselsätze hielt, denn die Dokumente durften das Gebäude nicht verlassen. Nach einer Stunde wusste Wolodja genug, um weitergehende Fragen stellen zu können.
Below fand heraus, dass Zoja derzeit weder an der Universität noch in ihrer Wohnung war, die sich in der Nähe der Uni befand. Allerdings hatte der Verwalter des Gebäudes ihm erzählt, die jüngeren Bewohner des Hauses hätten darum gebeten, bei der Konstruktion der neuen inneren Verteidigungsanlagen der Stadt helfen zu dürfen. Und er hatte Below den Ort genannt, wo Zoja gerade arbeitete.
Wolodja zog seinen Mantel an und ging hinaus.
Er war aufgeregt, wusste allerdings nicht, ob Zoja oder die Superbombe der Grund dafür war. Vielleicht beides.
Es gelang ihm, sich einen Jeep samt Fahrer zu besorgen.
Als sie am Kasaner Bahnhof vorbeikamen, von wo die Züge in Richtung Osten
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