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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Decke ihm den Spaten auf den Kopf, und wieder brach Bobrow zusammen. Die Frau knöpfte seinen feinen Wollmantel auf, während Bobrow sich am Boden wälzte, und versuchte, ihm den Mantel auszuziehen. Bobrow wehrte sich. Die Frau keifte wütend, hob den Spaten und schlug den am Boden Liegenden wieder und wieder, bis er sich nicht mehr rührte und sein weißes Haar von Blut verklebt war. Dann warf die Frau ihre alte Decke weg und zog sich Bobrows Mantel an.
    Wolodja ging zu Bobrows reglosem Körper. Die Augen waren ohne Leben. Wolodja kniete sich hin und suchte nach Atmung oder Puls. Der Mann war tot.
    »Keine Gnade für Feiglinge«, sagte Wolodja und schloss Bobrow die Augen.
    Einige der Frauen schnallten das Klavier los. Es rutschte vom Wagendach und prallte mit einem gewaltigen, misstönenden Akkord auf den Boden. Fröhlich machten die Frauen sich daran, mit Hacken und Schaufeln darauf einzuschlagen. Andere stritten sich um die verstreut umherliegenden Wertsachen. Sie schnappten sich teures Silberbesteck, packten Bettlaken übereinander und zerrissen im Streit die feine Unterwäsche. Es kam zu Kämpfen unter den Frauen. Eine Porzellanteekanne flog durch die Luft und verfehlte Zojas Kopf um Haaresbreite.
    Wolodja eilte zu ihr zurück. »Wenn das so weitergeht, haben wir es gleich mit einem ausgewachsenen Aufstand zu tun«, sagte er. »Ich habe einen Jeep und einen Fahrer. Komm, ich bring dich hier raus.«
    Zoja zögerte nur eine Sekunde. »Danke«, sagte sie dann. Gemeinsam liefen sie zum Jeep, sprangen hinein und jagten davon.

    Erik von Ulrich sah sich durch die Invasion der Sowjetunion in seinem Glauben an den Führer bestätigt. Als die deutsche Wehrmacht mit atemberaubender Geschwindigkeit in die Weiten Russlands vordrang und die Rote Armee vor sich hertrieb, war Erik endgültig von dem strategischen Genie des Mannes überzeugt, dem er Treue geschworen hatte.
    Nicht dass es für die Wehrmacht leicht gewesen wäre. Im Oktober hatte es fast ständig geregnet, und jede Straße, jeder Pfad hatte sich in eine Schlammpiste verwandelt. Die Russen hatten ein Wort dafür: Rasputitsa , die Zeit ohne Straßen. Eriks Sanitätswagen hatte sich durch einen Sumpf kämpfen müssen. Schlamm hatte sich vor dem Fahrzeug aufgetürmt und es nach und nach ausgebremst, bis Erik und Hermann aussteigen und das Hindernis mit Schaufeln beseitigen mussten, bevor sie weiterfahren konnten. Der gesamten deutschen Wehrmacht war es so ergangen. Der Marsch auf Moskau war fast zum Stillstand gekommen. Auch die Nachschubkolonnen kamen auf den verschlammten Straßen nicht mehr voran. Die Truppen hatten kaum noch Munition, Treibstoff und Proviant, und Eriks Einheit gingen langsam die Medikamente und andere medizinische Güter aus.
    Deshalb hatte Erik sich zuerst gefreut, als es Anfang November gefroren hatte. Der Frost war ein Segen, hatte er doch die Straßen wieder fest gemacht, sodass sie mit normaler Geschwindigkeit fahren konnten. Doch Erik bibberte in seinem Sommermantel und der Baumwollunterwäsche. Die Winteruniformen aus Deutschland waren noch nicht eingetroffen, ebenso wenig die kälteresistenten Schmierstoffe, um die Lkws, Zugmaschinen und Panzer am Laufen zu halten. Nachts war Erik alle zwei Stunden aufgestanden und hatte den Motor fünf Minuten laufen lassen. Nur so konnte man verhindern, dass das Öl im Motor gefror. Doch selbst dann mussten sie jeden Morgen, eine Stunde bevor sie losfuhren, ein kleines Feuer unter dem Wagen machen.
    Hunderte von Fahrzeugen blieben liegen und wurden aufgegeben. Die Maschinen der Luftwaffe, die auf den Feldflugplätzen im Freien standen, froren ebenfalls zu und ließen sich nicht mehr starten, sodass das Heer ohne Luftunterstützung war.
    Trotz alledem zogen die Russen sich weiter zurück. Sie kämpften hart, wurden aber unerbittlich zurückgetrieben. Eriks Einheit musste immer wieder haltmachen, um russische Leichen von der Straße zu entfernen; an einigen Stellen stapelten sich die gefrorenen Toten wie eine grausige Mauer am Straßenrand. Erbarmungslos rückte die deutsche Wehrmacht immer weiter auf Moskau vor.
    Erik war sicher, dass schon bald deutsche Panzer über den Roten Platz rollen würden, während die Hakenkreuzfahne über dem Kreml wehte.
    Doch mittlerweile hatten sie zehn Grad unter Null, und die Temperatur fiel weiter.
    Eriks Sanitätseinheit hatte sich in einer kleinen Stadt an einem zugefrorenen Kanal niedergelassen, inmitten eines Fichtenwaldes. Erik kannte den Namen der Stadt nicht. Die

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