Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
zweihundertfünfzig, wenn nicht dreihundert Pfund. Die Uniformhose trug er hochgezogen, und unter seinem Gurtzeugkoppel wölbte sich sein Bauch. Er hatte kastanienbraunes Haar, das vielleicht gelockt gewesen wäre, hätte er es lang genug wachsen lassen. Seine Stirn war schmal, seine dicken Wangen hingen herab, und er hatte den Ansatz zum Doppelkinn. Sein kleiner Schnurrbart war so gut wie unsichtbar. Er war ein in jeder Hinsicht unattraktiver Mann, und Greg freute sich kein bisschen darauf, für ihn zu arbeiten.
Groves und sein Gefolge, darunter Greg, verließen das Gebäude und gingen die Virginia Avenue hinunter zur National Mall. Unterwegs sagte der General zu seinem neuen Offizier: »Als ich diesen Job bekam, wurde mir gesagt, er könne den Krieg für uns entscheiden. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ich habe vor, mich so zu verhalten, als wäre es tatsächlich so. Sie sollten das Gleiche tun.«
»Jawohl, Sir«, sagte Greg.
Das Kriegsministerium war noch nicht ins Pentagon umgezogen, das erst fertiggestellt werden musste; es befand sich nach wie vor im alten Munitions Building, einem lang gestreckten, niedrigen, veralteten »Übergangs«-Gebäude auf der Constitution Avenue.
Kriegsminister Henry Stimson war Republikaner und von Roosevelt ins Amt berufen worden, damit seine Partei die Kriegsanstrengungen nicht unterminierte, indem sie dem Präsidenten im Kongress Steine in den Weg legte. Mit fünfundsiebzig Jahren war Stimson ein Elder Statesman wie aus dem Bilderbuch, ein gepflegter alter Gentleman mit weißem Schnurrbart, in dessen grauen Augen noch immer wache Intelligenz leuchtete.
Die Besprechung war offizieller Natur, und der Raum war vollerhoher Tiere, darunter der Generalstabschef des Heeres, General George C. Marshall. Greg war nervös und musste sich bewundernd eingestehen, dass Groves bemerkenswert kühl war für jemanden, der sich gerade erst die Generalsterne an den Kragen gesteckt hatte.
Groves begann seinen Vortrag, indem er skizzierte, wie er Ordnung in die Zusammenarbeit der Hunderte von zivilen Wissenschaftlern und Dutzende physikalischer Labors zu bringen gedachte, die am Manhattan-Projekt beteiligt waren. Er unternahm keinen Versuch, die hochgestellten Männer, die durchaus auf den Gedanken hätten kommen können, sie hätten das Sagen, für sich einzunehmen. Er legte seine Pläne dar, ohne besänftigende Phrasen wie »mit Ihrer Erlaubnis« und »wenn Sie gestatten« zu benutzen. Greg fragte sich, ob Groves es darauf anlegte, gefeuert zu werden.
Greg erfuhr so viel Neues, dass er sich am liebsten Notizen gemacht hätte, aber er wäre der Einzige gewesen. Einen guten Eindruck hätte er damit wohl nicht hinterlassen.
Als Groves fertig war, fragte jemand aus der Gruppe: »Wenn ich es richtig verstanden habe, ist ein ausreichender Uranvorrat entscheidend für das Gelingen des Projekts. Haben wir genug?«
Groves antwortete: »Auf Staten Island lagern eintausendzweihundertfünfzig Tonnen Pechblende – das ist das Erz, aus dem man Uranoxid gewinnt.«
»Dann sollten wir uns etwas davon verschaffen«, sagte der Fragesteller.
»Ich habe den Vorrat am Freitag komplett gekauft, Sir.«
»Am Freitag? Am Tag nach Ihrer Abkommandierung?«
»So ist es.«
Der Kriegsminister verbiss sich ein Lächeln. Gregs Staunen über Groves’ Dreistigkeit verwandelte sich in Bewunderung für seinen Mut.
Ein Admiral fragte: »Was ist mit der Priorität des Projekts? Sie müssen mit dem Ausschuss für Kriegsproduktion Klarschiff machen.«
»Ich habe Donald Nelson am Samstag aufgesucht, Sir«, erwiderte Groves. Nelson war der zivile Vorsitzende des Ausschusses. »Ich bat ihn, unsere Einstufung zu erhöhen.«
»Was hat er gesagt?«
»Er lehnte es ab.«
»Das ist ein Problem.«
»Nicht mehr, Sir. Als ich ihm sagte, dann müsse ich dem Präsidenten raten, das Manhattan-Projekt aufzugeben, weil der Ausschuss für Kriegsproduktion nicht kooperativ sei, gab er uns grünes Licht.«
»Sehr gut«, sagte der Kriegsminister.
Wieder war Greg beeindruckt. Groves war unberechenbar.
»Nun, Sie werden von einem Komitee beaufsichtigt, das mir Bericht erstattet«, fuhr Stimson fort. »Neun Mitglieder sind vorgeschlagen worden …«
»Teufel, nein!«, unterbrach ihn Groves.
»Wie bitte?«, fragte der Kriegsminister.
Das war’s, dachte Greg. Jetzt ist er zu weit gegangen.
»Ich kann nicht einem neunköpfigen Komitee verantwortlich sein, Sir. Da komme ich vor lauter Berichteschreiben zu nichts anderem
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