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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Messgeräten drängten sich nun ungefähr vierzig Personen. Langsam und vorsichtig wurde der Reaktor wieder in den Zustand versetzt wie zu dem Zeitpunkt, als das Experiment unterbrochen worden war. Fermi ließ den Blick keine Sekunde von den Messanzeigen.
    Dann sagte er: »Ziehen Sie den Stab diesmal zwölf Zoll heraus.«
    Das Knacken und Prasseln wurde beängstigend laut und schnell. Greg rechnete damit, dass die Geschwindigkeitszunahme abflachte wie zuvor, aber das geschah nicht. Stattdessen verwandelte das Prasseln sich in ein konstantes Geräusch.
    Der Strahlungswert lag über dem Maximum der Zähler, erkannte Greg. Er sah, dass alle auf den Messschreiber blickten. Dessen Messbereich war einstellbar. Als der Strahlungswert anstieg, wurde der Messbereich verändert, dann noch einmal, und schließlich ein drittes Mal.
    Fermi hob eine Hand. Alle verstummten. »Die selbsterhaltende Kernreaktion hat eingesetzt«, verkündete er, lächelte – und tat nichts.
    Greg wollte schreien: Dann stell das Scheißding ab, bevor es uns um die Ohren fliegt! Doch Fermi beobachtete seelenruhig den Schreiber. Seine Autorität war so groß, dass niemand sie infrage stellte. Die Kettenreaktion lief derweil kontrolliert ab. Fermi ließ eine Minute verstreichen, dann noch eine.
    »Herr im Himmel«, flüsterte McHugh.
    Greg wollte nicht sterben. Er wollte Senator werden. Er wollte wieder mit Margaret Cowdry schlafen. Er wollte erleben, wie Georgy aufs College ging. Er hatte nicht einmal die Hälfte seines Lebens hinter sich!
    Endlich befahl Fermi, die Kontrollstäbe wieder in den Meiler zu schieben.
    Der Lärm der Zähler wurde zu einem Schnarren, das nach und nach verebbte und schließlich ganz verstummte.
    Greg atmete wieder normal.
    McHugh war völlig aus dem Häuschen. »Das ist der Beweis!«, sagte er. »Die selbsterhaltende Kernreaktion existiert!«
    »Vor allem ist sie kontrollierbar«, sagte Greg.
    »Ja, unter praktischen Gesichtspunkten ist das wahrscheinlich wichtiger.«
    Greg lächelte. Diese Physiker. Aber so waren sie nun mal; er kannte es aus Harvard: Für sie war die Theorie die Realität und die Welt nur ein ziemlich ungenaues Modell.
    Jemand zauberte eine Flasche italienischen Wein im Strohmantel und ein paar Pappbecher hervor. Alle tranken einen winzigen Schluck. Noch ein Grund, weshalb Greg kein Wissenschaftler sein wollte: Sie wussten nicht, wie man feierte.
    Jemand ließ Fermi den Strohmantel der Weinflasche signieren. Er tat es; dann unterschrieben auch die anderen.
    Die Techniker schalteten die Messgeräte ab, und nacheinander verließen die Leute die Halle. Greg jedoch blieb und beobachtete. Nach einer Weile stand er mit Fermi und Szilárd allein auf der Tribüne. Er beobachtete, wie die beiden Genies einander die Handschüttelten. Szilárd war ein massiger Mann, Fermi eher zierlich, und einen Augenblick fühlte Greg sich beim Anblick der beiden völlig unpassend an Laurel und Hardy erinnert.
    Szilárd ergriff das Wort. »Mein Freund«, sagte er, »ich glaube, das heutige Datum wird als schwarzer Tag in die Geschichte der Menschheit eingehen.«
    Was meint er denn damit, fragte sich Greg.

    Greg wollte, dass seine Eltern den kleinen Georgy akzeptierten.
    Einfach in die Tat umsetzen ließ sich dieser Wunsch allerdings nicht. Ohne Zweifel würden sie sich schrecklich aufregen, wenn sie erfuhren, dass sie einen Enkel hatten, der sechs Jahre vor ihnen verborgen worden war. Obendrein würden sie womöglich auf Jacky herabschauen.
    Dabei hätten sie nun wirklich kein Recht, die Moralapostel zu spielen, dachte Greg; schließlich hatten sie selbst ein uneheliches Kind – ihn.
    Welche Rolle Georgys Hautfarbe spielte, wusste Greg ebenso wenig zu sagen. Seine Eltern gaben sich tolerant, was Rassenfragen betraf, und hatten nie gehässig von »Niggern« oder »Schlitzaugen« gesprochen wie andere aus ihrer Generation; aber das konnte sich in dem Moment ändern, in dem sie erfuhren, dass sie einen kleinen Neger in der Familie hatten.
    Bei seinem Vater jedenfalls würde das alles schwieriger sein als bei seiner Mutter; deshalb sprach Greg zuerst mit ihr.
    Um Weihnachten bekam er ein paar Tage Urlaub und fuhr zu ihr nach Buffalo. Marga besaß ein großes Apartment im besten Gebäude der Stadt. Sie wohnte meist allein, beschäftigte jedoch einen Koch, zwei Dienstmädchen und einen Chauffeur. Ihr Safe war voller Schmuck, ihr Kleiderschrank besaß die Größe einer Doppelgarage. Das Einzige, das ihr fehlte, war ein Ehemann.
    Lev war

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