Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
nicht geachtet. Ich habe nur einen Dieb gesehen.« Das würde im Gerichtssaal für Erheiterung sorgen, und der Staatsanwalt stünde dumm da.
    Man brachte die Gefangenen aus der Stadt.
    Durch die Ritzen in der Plane, die über die Ladefläche gespannt war, konnten sie nach draußen schauen, aber viel war nicht zu sehen. Lloyd hatte das Gefühl, mindestens dreißig Kilometer weit gefahren zu sein, als Robert verkündete: »Wir sind in Oranienburg.« Das war eine Kleinstadt nördlich von Berlin.
    Der Lkw hielt vor einem Holztor zwischen zwei Ziegelpfeilern. Zwei bewaffnete Braunhemden standen dort Wache.
    Lloyds Zuversicht wich quälender Angst. Wo war das Gericht? Das hier sah mehr wie ein Gefangenenlager aus. Wie konnten diese Leute Menschen einfach so einsperren? Ohne Haftbefehl?
    Nach einer kurzen Wartezeit fuhr der Lastwagen auf das Lagergelände und hielt vor einer Reihe heruntergekommener Gebäude.
    Lloyd wurde immer nervöser. Letzte Nacht war sein einziger Trost gewesen, dass Walter wusste, wo er sich befand. Heute aber konnte er das unmöglich wissen. Was, wenn die Polizei behauptete, sie hätte ihn gar nicht mehr in Gewahrsam und es gebe auch keine Akte über ihn? Wie sollte man ihn da noch retten?
    Die Gefangenen stiegen von der Ladefläche und schlurften in ein Gebäude, das eine ehemalige Fabrik zu sein schien. Es roch nach Kneipe. Vielleicht war hier früher eine Brauerei gewesen.
    Wieder wurden ihre Namen aufgenommen. Lloyd war froh, dass es zumindest eine Art Aufzeichnung über seinen Verbleib gab. Sie wurden weder gefesselt noch in Handschellen gelegt, aber ständig von Braunhemden mit Gewehren bewacht. Lloyd überkam das ungute Gefühl, dass diese Männer nur auf einen Grund warteten, ihre Waffen einzusetzen.
    Man gab jedem von ihnen einen Strohsack und eine dünne Decke. Dann wurden sie in ein halb verfallenes Gebäude gescheucht, das offenbar eine Lagerhalle gewesen war.
    Und dann begann das Warten.
    Den ganzen Tag kam niemand, um sich nach Lloyd zu erkundigen.
    Am Abend wurde wieder ein großer Topf hereingerollt. Diesmal gab es Eintopf mit Möhren und Rüben. Jeder Mann bekam eine Schüssel voll, dazu ein Stück Brot. Lloyd war inzwischen halb verhungert. Er hatte seit vierundzwanzig Stunden nichts gegessen, und so schlang er die dürftige Mahlzeit herunter und gierte nach mehr.
    In der Nacht heulten irgendwo im Lager Hunde.
    Lloyd fühlte sich schmutzig. Er verbrachte nun schon die zweite Nacht in derselben Kleidung. Er brauchte ein Bad, eine Rasur und ein sauberes Hemd. Als Toilette dienten hier zwei Fässer, die in einer Ecke standen. Es war widerlich.
    Aber morgen war Montag. Dann würde sich bestimmt etwas tun.
    Gegen vier Uhr in der Frühe schlief Lloyd ein. Um sechs wurden er und die anderen von einem SA -Mann geweckt. »Schleicher!«, brüllte er. »Jörg Schleicher! Wer von euch ist Schleicher?«
    Hoffnung machte sich bei Lloyd und den anderen breit. Wurden sie entlassen?
    Jörg stand auf. »Hier«, sagte er. »Ich bin Schleicher.«
    »Mitkommen«, befahl der Nazi.
    Robert fragte voller Angst: »Was wollen Sie von ihm? Wo geht er hin?«
    »Wer bist du denn? Seine Mutter?«, höhnte der SA -Mann. »Leg dich hin und halt die Fresse!« Er stieß Jörg mit dem Gewehr an. »Bewegung!«
    Lloyd schaute Jörg und seinem Peiniger hilflos hinterher. Er fragte sich, warum er den Kerl nicht einfach niedergeschlagen und sich dessen Gewehr geschnappt hatte. Er hätte fliehen können. Doch im entscheidenden Augenblick war ihm nicht einmal der Gedanke an Flucht gekommen. Dachte er jetzt schon wie ein Gefangener? Du lieber Himmel, er freute sich sogar auf den nächsten Haferbrei.
    Noch vor dem Frühstück wurden sie alle nach draußen geführt.
    Sie standen um einen kleinen, umzäunten Käfig herum, der ungefähr fünf mal drei Meter maß. Es sah aus, als wäre hier früher irgendetwas gelagert worden, Holz oder Baumaterial vielleicht. Lloyd zitterte in der kalten Morgenluft. Sein Mantel war noch immer im Bistro Robert.
    Er sah, wie Thomas Macke näher kam.
    Der Kriminalinspektor trug einen schwarzen Mantel über seiner braunen Uniform. Lloyd fiel auf, dass der Mann sich mit schweren Schritten bewegte.
    Macke folgten zwei Braunhemden, die einen nackten Mann festhielten, dem man einen Eimer über den Kopf gestülpt hatte.
    Lloyd riss entsetzt die Augen auf. Die Hände des Gefangenen waren hinter dem Rücken gefesselt, und der Eimer war mit einem straff sitzenden Kinnriemen festgezurrt, damit er nicht

Weitere Kostenlose Bücher