Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
herunterfiel.
Der Mann war schlank, erkennbar jung und hatte blonde Schamhaare.
Robert stöhnte auf. »O Gott. Das ist Jörg! Jörg!«
Sämtliche Braunhemden des Lagers hatten sich versammelt. Lloyd runzelte die Stirn. Was für ein grausames Spiel wurde hier getrieben?
Jörg wurde in das kleine Gehege geschleppt und dort zitternd stehen gelassen. Seine beiden Wächter gingen hinaus. Sie verschwanden ein paar Minuten und kehrten dann zurück, jeder mit einem Schäferhund an der Leine.
Jetzt wusste Lloyd, woher das Heulen und Bellen gekommen war, das die ganze Nacht angehalten hatte.
Die Hunde waren mager und hatten ungesunde, kahle Stellen im Fell. Sie sahen halb verhungert aus.
Die Braunhemden führten sie zum Käfig.
Lloyd hatte eine schreckliche Ahnung, was jetzt folgen würde.
»Nein!«, schrie Robert und sprang vor. »Nein! Nein! Nein!« Er versuchte, die Tür des Käfigs aufzureißen. Vier Braunhemden zerrten ihn grob zurück. Robert wehrte sich, aber die Nazis waren jung und kräftig, während Robert auf die fünfzig zuging. Er hatte ihnen nichts entgegenzusetzen. Verächtlich stießen sie ihn zu Boden.
»Nein, hoch mit ihm«, befahl Macke. »Lasst ihn zuschauen.«
Die Männer zerrten Robert hoch und drehten ihn mit dem Gesicht zu Jörg.
Die Hunde wurden in den Käfig geführt. Sie waren aufgeregt, bellten und sabberten. Die beiden Nazi-Hundeführer hatten keine Angst vor den Tieren und kamen bestens mit ihnen zurecht; offenbar waren sie erfahren. Lloyd fragte sich verzweifelt, wie oft sie das hier schon gemacht hatten.
Die Hundeführer ließen die Tiere von den Leinen und liefen hinaus.
Sofort stürzten die Hunde sich auf Jörg. Einer biss ihm ins Bein, der andere in den Arm. Unter dem Metalleimer ertönte ein gequälter Schrei. Die Braunhemden johlten und applaudierten. Die Gefangenen schauten in stummem Entsetzen zu.
Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, versuchteJörg verzweifelt, sich zu befreien. Seine Hände waren gefesselt, und er konnte nichts sehen, aber er konnte um sich treten. Doch seine nackten Füße zeigten kaum Wirkung auf die hungrigen Hunde. Die Tiere wichen den Tritten aus, griffen unablässig an und schlugen ihre Zähne in Jörgs Fleisch.
Jörg versuchte wegzulaufen. Er rannte blind geradeaus, von den hechelnden Hunden verfolgt, bis er gegen den Drahtzaun prallte. Die Braunhemden grölten ausgelassen. Jörg floh in die andere Richtung, mit dem gleichen Ergebnis. Ein Hund riss Jörg ein Stück Fleisch aus dem Gesäß. Seine Schreie gingen im Johlen und Lachen unter.
Ein SA -Mann, der neben Lloyd stand, grölte: »Sein Schwanz! Beißt dem Schwulen den Schwanz ab!« Der Kerl war geradezu hysterisch.
Jörgs bleicher Körper war mittlerweile blutüberströmt. Er drückte sich an den Zaun, versuchte, seine Genitalien zu schützen, und trat weiter nach den Hunden. Aber er wurde schwächer. Seine Tritte hatten kaum noch Kraft, und er hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Die Hunde wurden immer kühner, zerrten an ihm und schlangen blutige Klumpen Fleisch herunter.
Schließlich sank Jörg zu Boden.
Und die Hunde ließen sich zum Fressen nieder.
Irgendwann gingen die Hundeführer in den Käfig. Mit geübten Bewegungen legten sie den Tieren die Leinen an, zerrten sie von Jörg weg und führten sie hinaus.
Die Schau war vorbei. Die Braunhemden schlenderten davon und unterhielten sich aufgeregt.
Robert rannte in den Käfig, und diesmal hielt ihn niemand auf. Mit einem Stöhnen beugte er sich über Jörg.
Lloyd half ihm, Jörg die Fesseln abzunehmen und den Eimer vom Kopf zu ziehen. Er war bewusstlos, atmete aber. »Bringen wir ihn rein«, sagte Lloyd. »Nehmen Sie seine Beine.« Lloyd packte Jörg unter den Armen, und gemeinsam mit Robert trug er ihn in das Gebäude, in dem sie die Nacht verbracht hatten. Sie legten Jörg auf einen Strohsack.
Verängstigt versammelten sich die anderen Gefangenen um sie. Lloyd hoffte, einer von ihnen würde sich als Arzt zu erkennen geben, aber niemand tat ihm den Gefallen.
Robert zog sein Jackett, die Weste und das Hemd aus und wischte seinem Freund damit das Blut ab. »Wir brauchen sauberes Wasser«, sagte er.
Im Hof stand eine Handpumpe. Lloyd ging hinaus, hatte aber keinen Behälter. Schaudernd betrat er den Käfig. Der Eimer lag noch immer auf dem Boden. Lloyd wusch ihn aus und füllte ihn mit Wasser.
Als er zurückkam, war der Strohsack blutdurchtränkt.
Robert tauchte sein Hemd in den Eimer und wusch Jörg die Wunden aus.
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