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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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den Blick über die ungleiche Gruppe schweifen, die sich in ihrer Wohnung versammelt hatte. Sie alle waren ohne Einladung zu ihr gekommen, weil sie wussten, dass siewillkommen waren. Sie gehörten zu ihr, und sie gehörte zu ihnen. Sie waren ihre Familie.
    Daisy war glücklich.

    Woody Dewar saß im Vorzimmer von Leo Shapiros Büro und blätterte einen Packen Fotos durch. Es waren die Bilder, die er in Pearl Harbor in der Stunde vor Joannes Tod aufgenommen hatte. Der Film war monatelang in seiner Kamera geblieben, aber am Ende hatte er ihn doch entwickelt und Abzüge gemacht. Er hatte sich die Bilder lange Zeit nicht anschauen können; sie hatten ihn mit so tiefer Trauer erfüllt, dass er sie schließlich in seinem Zimmer in Washington in eine Schublade gelegt hatte.
    Er hatte diese Schublade lange Zeit nicht geöffnet, doch nun wurde es Zeit für Veränderungen. Deshalb hatte er die Fotos herausgenommen und mit hierhergebracht.
    Vergessen könnte er Joanne niemals, aber er hatte sich endlich wieder verliebt. Er betete Bella an, und sie erwiderte seine Gefühle. Als sie sich am Bahnhof in Oakland unweit von San Francisco getrennt hatten, hatte er ihr seine Liebe gestanden, und Bella hatte erwidert: »Ich liebe dich auch.«
    Er würde sie bitten, ihn zu heiraten. Er hätte es bereits getan, doch es erschien ihm ein wenig früh – es waren kaum drei Monate vergangen –, und er wollte Bellas feindseligen Eltern keinen Vorwand liefern, Einwände zu erheben.
    Außerdem musste er eine Entscheidung treffen, was seine Zukunft anging.
    Er wollte nicht in die Politik.
    Für seine Eltern würde es ein Schock sein, wenn sie es erfuhren; das wusste Woody. Sie hatten stets angenommen, er würde in Gus’ Fußstapfen treten und irgendwann der dritte Senator Dewar werden. Woody hatte nie Gegenteiliges verlauten lassen, doch während des Krieges und besonders im Lazarett hatte er sich gefragt, was er wirklich wollte, falls er überlebte, und die Antwort hatte er nicht in der Politik gefunden.
    Jetzt war ein guter Zeitpunkt, den Wechsel zu vollziehen. Sein Vater hatte sein Lebensziel erreicht: Der Senat hatte über die Vereinten Nationen beraten. Beinahe wäre alles an einem ähnlichen Punkt gescheitert, an dem damals der alte Völkerbund zerbrochen war – eine schmerzvolle Erinnerung für Gus Dewar. Diesmal aber hatte Senator Vandenberg sich leidenschaftlich für die UN eingesetzt und vom »kühnsten Traum der Menschheit« gesprochen, und die UN -Charta war mit neunundachtzig zu zwei Stimmen ratifiziert worden. Die Arbeit war getan. Wenn Woody seinem Leben jetzt eine neue Richtung gab, würde das nicht bedeuten, dass er seinen Vater im Stich ließ.
    Er hoffte nur, dass Gus es genauso sah.
    Shapiro öffnete seine Bürotür und winkte. Woody stand auf und ging hinein.
    Shapiro war jünger, als Woody erwartet hatte, Mitte dreißig. Er leitete die Washingtoner Niederlassung der National Press Agency.
    »Was kann ich für Senator Dewars Sohn tun?«, fragte er, als er sich an seinen Schreibtisch setzte.
    »Ich würde Ihnen gern ein paar Fotos zeigen.«
    »Ja, sicher. Lassen Sie sehen.«
    Woody breitete seine Bilder auf Shapiros Schreibtisch aus.
    »Ist das Pearl Harbor?«, fragte Shapiro.
    »Ja. Am 7. Dezember 1941.«
    »Mein Gott.«
    Woody bekam feuchte Augen, als er auf die Bilder schaute, obwohl sie für ihn auf dem Kopf standen. Da war Joanne; sie sah wunderschön aus. Und Chuck grinste fröhlich, weil er mit seiner Familie und Eddie zusammen war. Dann kamen die Flugzeuge. Bomben und Torpedos lösten sich von ihren Bäuchen. Schwarze Explosionswolken wallten von den Schiffen auf. Seeleute kletterten in Panik über die Bordwände, stürzten ins Meer, schwammen um ihr Leben.
    »Das ist Ihr Vater«, sagte Shapiro. »Und Ihre Mutter. Ich erkenne sie.«
    »Ja. Und meine Verlobte, die ein paar Minuten später ums Leben kam. Und mein Bruder Chuck, der am Strand von Bougainville gefallen ist. Und Eddie, Chucks bester Freund.«
    »Das sind ganz ausgezeichnete Fotografien! Wie viel wollen Sie dafür?«
    »Ich möchte kein Geld von Ihnen«, erwiderte Woody.
    Shapiro blickte ihn erstaunt an.
    »Ich möchte einen Job.«

    Fünfzehn Tage nach dem VE Day, dem Tag, an dem der Sieg in Europa gefeiert worden war, setzte Winston Churchill eine Unterhauswahl an.
    Die Familie Leckwith traf es völlig überraschend. Wie die meisten Briten waren Ethel und Bernie davon ausgegangen, dass Churchill warten würde, bis auch die Japaner kapituliert hatten.

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