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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ihn kümmern«, hatte er über Masaryk gesprochen! Und wenn ein Geheimpolizist sich »entsprechend um jemanden kümmerte«, hieß das immer, dass er den Betreffenden tötete.
    Außerdem war Ilja früh zu Bett gegangen, was darauf hindeutete, dass er heute früh aufzustehen gedachte …
    Was bin ich für ein Narr, dachte Wolodja erschrocken. Es ist so offensichtlich. Trotzdem habe ich die ganze Nacht gebraucht, um es zu durchschauen.
    Er sprang aus dem Bett. Vielleicht war es ja noch nicht zu spät.
    Rasch zog er sich an, warf sich den schweren Mantel über und setzte seine Kappe auf. Es standen noch keine Taxis vor dem Hotel; dafür war es noch zu früh. Natürlich hätte Wolodja einen Wagen der Roten Armee herbeordern können; aber es würde mindestens eine Stunde dauern, bis der Fahrer geweckt worden und hierhergefahren war.
    Also machte er sich zu Fuß auf den Weg. Das Palais Czernin war nur zwei, drei Kilometer entfernt. Wolodja ging in Richtung Westen, überquerte die Karlsbrücke und eilte den Hügel zur Burg hinauf.
    Masaryk erwartete ihn nicht, und auch der Außenminister war nicht verpflichtet, einen Oberst der Roten Armee zu empfangen. Doch Wolodja war sicher, dass Masaryk neugierig genug sein würde, um ihn vorzulassen.
    Er eilte durch den Schnee und erreichte das Palais Czernin um Viertel vor sieben. Das Palais war ein riesiges, dreistöckiges Barockgebäude mit korinthischen Halbsäulen an der Fassade. Es war nur leicht bewacht, wie Wolodja erstaunt feststellte. Eine Wache deutete auf den Haupteingang. Wolodja durchquerte die reich verzierte Eingangshalle.
    Er hatte erwartet, am Empfang den gewohnten NKWD -Trottel anzutreffen, aber da war niemand. Das war ein schlechtes Zeichen. Wolodja überkam eine düstere Vorahnung.
    Die Halle führte auf einen Innenhof. Wolodja schaute durch eines der Fenster und sah tief unter sich einen Mann in blauem Seidenpyjama, der im Schnee zu schlafen schien. Vielleicht war er betrunken. Dann bestand die Gefahr, dass er erfror.
    Wolodja ging zur Tür. Zum Glück war sie nicht verschlossen.
    Er eilte über den Hof. Der Mann lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Er war nicht von Schnee bedeckt; also konnte er noch nicht lange dort liegen. Wolodja kniete sich neben ihn. Der Mann rührte sich nicht und schien auch nicht zu atmen.
    Wolodja schaute nach oben. Der Hof wurde von Wänden des Palais umschlossen; sämtliche Fenster in den drei Stockwerken waren zum Schutz vor der Kälte verschlossen … außer einem, hoch über dem Mann im Pyjama.
    Als wäre jemand dort hinausgeworfen worden.
    Wolodja drehte den Kopf des Mannes herum und schaute in das starre Gesicht.
    Es war Jan Masaryk.

    Drei Tage später legten die Vereinigten Generalstabschefs Präsident Truman einen Notplan vor, mit dem sie auf eine sowjetische Invasion Westeuropas reagieren wollten.
    Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs war ein heißes Thema in der Presse. »Wir haben gerade erst den Krieg gewonnen«, sagte Jacky Jakes zu Greg Peshkov. »Wie kommt es, dass wir bald schon einen neuen haben könnten?«
    »Das frage ich mich auch die ganze Zeit.«
    Sie saßen auf einer Parkbank. Greg schöpfte Atem, nachdem er mit Georgy Football gespielt hatte.
    »Ich bin froh, dass er für das Militär zu jung ist«, sagte Jacky.
    »Ja, ich auch.«
    Beide blickten auf ihren Sohn, der mit einem blonden Mädchen im gleichen Alter sprach. Die Schnürsenkel seiner Turnschuhe hatten sich gelöst, und das Hemd hing ihm aus der Hose. Er war zwölf und wurde reifer. Auf der Oberlippe zeigte sich der erste dunkle Flaum, und seit letzter Woche schien er drei Zoll gewachsen zu sein.
    »Wir holen unsere Truppen so rasch nach Hause, wie wir können«, sagte Greg. »Die Briten und Franzosen ebenfalls. Nur die Rote Armee ist geblieben, mit dem Ergebnis, dass die Russen jetzt dreimal so viele Soldaten in Deutschland haben wie wir.«
    »Amerika will keinen neuen Krieg.«
    »Stimmt. Und Truman möchte im November die Präsidentschaftswahl gewinnen, also tut er, was er kann, um einen Krieg zu verhindern. Trotzdem ist es nicht ganz auszuschließen.«
    »Du wirst bald aus der Army entlassen. Was machst du dann?«
    In Jackys Stimme lag ein Unterton, der bei Greg den Verdacht weckte, dass ihre Frage nicht so beiläufig war, wie sie tat. Er blickte ihr ins Gesicht, doch ihre Miene gab nichts preis. »Nun, wenn Amerika nicht im Krieg ist«, antwortete er, »werde ich bei den Kongresswahlen 1950 kandidieren. Mein Vater ist bereit, meinen Wahlkampf

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