Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Chevrolet-Roadster-Kleinlaster mit zwei Holzbänken auf der Ladefläche. Woody war es peinlich, sich zu verabschieden, während der Chauffeur ihm die Tür aufhielt, doch die Jungen schien es nicht zu stören; sie dankten ihm lautstark und riefen: »Bis nächsten Samstag!«
    Als sie die Delaware Avenue hinauffuhren, sagte Woody: »Das hat Spaß gemacht, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob es viel nützt.«
    Chuck sah ihn überrascht an. »Wieso?«
    »Na ja, wir helfen ihren Vätern nicht, Arbeit zu finden. Das wäre das Einzige, was wirklich zählt.«
    »Vielleicht hilft es in ein paar Jahren den Söhnen, Arbeit zu finden.« Buffalo war eine Hafenstadt. In normalen Zeiten gab es auf den Handelsschiffen, die den Erie-Kanal und die Großen Seen befuhren, Tausende von Arbeitsplätzen. Hinzu kamen die Vergnügungsdampfer.
    »Vorausgesetzt, der Präsident bringt die Wirtschaft wieder in Schwung.«
    Chuck zuckte mit den Schultern. »Dann geh doch für Roosevelt arbeiten.«
    »Warum nicht? Papa hat für Woodrow Wilson gearbeitet.«
    »Ich bleibe beim Segeln.«
    Woody blickte auf seine Armbanduhr. »Wir haben gerade noch Zeit, uns für den Ball umzuziehen.« Sie wollten einen Tanzabend im Racquet Club besuchen, und die Erwartung ließ Woodys Herz schneller schlagen. »Ich sehne mich nach der Gesellschaft von Menschen mit hoher Stimme, weicher Haut und rosaroten Kleidern.«
    »Joanne Rouzrokh hat in ihrem ganzen Leben noch nie Rosarot getragen«, spöttelte Chuck.
    Woody blickte ihn erschrocken an. Seit zwei Wochen träumte er von Joanne, aber woher wusste sein Bruder davon? »Wie kommst du auf die Idee …«
    »Als sie in ihrem Tenniskleid zur Strandparty kam, bist du beinahe in Ohnmacht gefallen. Jeder konnte sehen, dass du hinter ihr her bist. Zum Glück scheint wenigstens sie nichts gemerkt zu haben.«
    »Wieso zum Glück?«
    »Meine Güte, du bist fünfzehn, sie ist achtzehn. Das ist doch peinlich! Sie sucht nach einem Mann zum Heiraten, nicht nach einem Schuljungen.«
    »Herzlichen Dank. Ich hatte ganz vergessen, was für ein Frauenkenner du bist.«
    Chuck errötete. Er hatte noch nie eine Freundin gehabt. »Man braucht kein Fachmann zu sein, um zu sehen, was sich direkt vor der eigenen Nase abspielt.«
    So redeten sie ständig miteinander, aber nicht aus Boshaftigkeit: Sie waren einfach nur offen zueinander.
    Zu Hause, in der pseudogotischen Villa, die Senator Cam Dewar, ihr verstorbener Großvater, hatte bauen lassen, duschten sie und zogen sich um.
    Woody war mittlerweile so groß wie sein Vater und zog einen von dessen alten Abendanzügen an, der ein wenig abgewetzt, ansonsten aber noch okay war. Die Jüngeren würden Schuluniformen oder Blazer tragen, die Collegeboys hingegen Smokings, und Woody legte es darauf an, älter zu wirken. Heute Abend werde ich mit Joanne tanzen, schwärmte er, als er sich das Haar mit Brillantine einrieb und nach hinten kämmte. Er würde sie in den Armen halten dürfen, würde die Wärme ihrer Haut spüren, und ihre Brüste würden beim Tanz über sein Jackett streifen.
    Als er herunterkam, warteten seine Eltern im Salon. Papa trank einen Cocktail, Mama rauchte eine Zigarette. Papa war groß und schmal und sah in seinem zweireihigen Smoking wie ein Kleiderbügel aus. Mama war eine Schönheit, obwohl sie nur ein Auge hatte; das andere war ständig geschlossen – sie war so zur Welt gekommen. Heute Abend sah sie atemberaubend aus in ihrembodenlangen Kleid aus schwarzer Spitze über roter Seide und einem kurzen Abendjäckchen aus schwarzem Samt.
    Woodys achtundsechzigjährige Großmutter kam als Letzte. Sie war so dünn wie ihr Sohn, aber klein und zierlich. Neugierig musterte sie Mamas Kleid. »Rosa, Liebes, du siehst wunderbar aus.« Ihre Schwiegertochter behandelte sie stets freundlich. Zu allen anderen war sie bissig.
    Gus machte ihr ungefragt einen Cocktail. Woody verbarg seine Ungeduld, während Großmama sich Zeit nahm, den Cocktail zu trinken. Sie ließ sich nicht hetzen. Ohne sie konnte kein gesellschaftliches Ereignis richtig beginnen. Schließlich war sie die große alte Dame der Buffaloer Gesellschaft – Witwe eines Senators, Mutter eines Senators und Matriarchin einer der ältesten und angesehensten Familien der Stadt.
    Woody fragte sich, was ihn an Joanne so anzog. Er kannte sie fast sein Leben lang, doch er hatte Mädchen immer als uninteressante Zuschauerinnen bei den aufregenden Abenteuern der Jungen betrachtet. Doch seit zwei, drei Jahren erschienen Mädchen ihm sogar

Weitere Kostenlose Bücher