Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
erfährt, heult sie sich die Augen aus, dachte er.
Doch die Situation hatte ihn überrascht. Wäre er vorgewarnt gewesen, hätte er sich eine höfliche Ablehnung ausdenken können, so aber brachte er es nicht über sich, dieser betörend schönen Frau gegenüber unhöflich zu sein.
Also nahm er ihre Hand, blickte ihr in die bezaubernden Augen und schenkte ihr ein Lächeln von der Art, die man gemeinhin als »Gute Miene zum bösen Spiel« bezeichnet.
Gladys hielt Gregs Hand fest. »Ich freue mich sehr, dich endlich kennenzulernen. Dein Vater hat mir viel über dich erzählt, aber er hat mir verschwiegen, wie gut du aussiehst.«
Ihre Worte hatten etwas unangenehm Besitzergreifendes, als wäre sie eine Familienangehörige und nicht bloß eine Hure, die unrechtmäßig den Platz seiner Mutter eingenommen hatte. Zugleich aber merkte Greg, wie er in den Bann dieser Frau geriet. »Ich mag Ihre Filme«, sagte er und kam sich schrecklich unbeholfen vor.
»Ach, hör auf, das brauchst du nicht zu sagen«, erwiderte Gladys, doch Greg war sicher, dass sie es trotzdem gern hörte. »Komm her und setz dich neben mich. Ich möchte dich kennenlernen.«
Greg gehorchte. Er konnte nicht anders. Gladys fragte ihn, auf welche Schule er ging, und während er erzählte, klingelte dasTelefon. Er hörte undeutlich, wie sein Vater in den Hörer sprach. »Es sollte doch erst morgen sein … Na gut, wenn es nicht anders geht, können wir es vorziehen … überlass es mir, ich kümmere mich darum.«
Lev legte auf und unterbrach Gladys. »Dein Zimmer ist den Gang hinunter, Greg.« Er reichte seinem Sohn einen Schlüssel. »Du findest dort ein Geschenk von mir. Richte dich ein und lass es dir gut gehen. Wir treffen uns um sieben zum Abendessen.«
Es war eine ziemlich schroffe Unterbrechung, und Gladys wirkte verärgert. Doch Lev konnte manchmal sehr gebieterisch sein, und dann war es am besten, man gehorchte. Greg nahm den Schlüssel und verließ das Zimmer.
Im Korridor stand ein breitschultriger Mann in einem billigen Anzug. Er erinnerte Greg an Joe Brekhunov, den Leiter des Werkschutzes bei Buffalo Metal Works. Greg nickte dem Mann zu, und der sagte: »Guten Tag, Sir.« Offenbar war er ein Hotelangestellter.
Greg betrat sein Zimmer. Es war hübsch, aber bei Weitem nicht so üppig eingerichtet wie die Suite seines Vaters. Das Geschenk, von dem Lev gesprochen hatte, konnte Greg nirgends entdecken, aber sein Koffer war ins Zimmer gebracht worden. Während er auspackte, war er mit den Gedanken bei Gladys. Hinterging er seine Mutter, indem er der Geliebten seines Vaters die Hand schüttelte? Freilich tat Gladys das Gleiche, was seine Mutter getan hatte: Sie schlief mit einem verheirateten Mann. Dennoch erfüllte ihn quälendes Unbehagen. Ob er seiner Mutter wohl erzählen durfte, dass er Gladys kennengelernt hatte? Nein, bloß nicht!
Als er seine Hemden in den Schrank hängte, klopfte es. Das Geräusch kam von einer Tür, die offenbar zum Nachbarzimmer führte. Im nächsten Moment öffnete sie sich, und ein Mädchen kam herein.
Sie war nur unwesentlich älter als Greg. Ihre Haut besaß die Farbe dunkler Schokolade, und sie trug ein gepunktetes Kleid und einen Greifbeutel. Sie lächelte strahlend, wobei sie weiße Zähne entblößte, und sagte: »Hallo, ich habe das Zimmer nebenan.«
»Das dachte ich mir schon«, entgegnete Greg. »Wer sind Sie?«
»Jacky Jakes.« Sie reichte ihm die Hand. »Ich bin Schauspielerin.«
Greg schüttelte der zweitschönsten Schauspielerin, die er innerhalb einer Stunde kennengelernt hatte, die Hand. Jacky besaß eine fröhliche, spielerische Ausstrahlung, die Greg attraktiver fand als Gladys’ überwältigenden erotischen Magnetismus. Ihr Mund war ein dunkelrosa Bogen. »Mein Vater sagt, er hat ein Geschenk für mich. Sind Sie das?«
Sie kicherte. »Das bin ich wohl. Er sagte, ich würde dich mögen. Er will mich auf die Leinwand bringen.«
Greg begriff. Sein Vater hatte sich gedacht, dass es ihm zu schaffen machte, freundlich zu Gladys zu sein. Und Jacky war seine Belohnung dafür, dass er keinen Wirbel veranstaltete. Im Grunde war das Mädchen so etwas wie ein Bestechungsversuch, den er hätte zurückweisen müssen, aber Greg konnte nicht widerstehen. »Sie sind … du bist ein sehr hübsches Geschenk«, sagte er.
»Dein Vater ist wirklich nett zu dir.«
»Er ist wunderbar. Und du auch.«
»Du bist süß!« Sie setzte ihre Handtasche auf die Kommode, trat näher an Greg heran, stellte sich auf die
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