Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
witzig.«
»Allerdings. Das ist meine Trumpfkarte.«
»Na, Teufel auch, auf deinen Vater habe ich weiß Gott lange genug gewartet.«
»Ehrlich?«
»Ich habe ihn vom ersten Moment an geliebt und mich jahrelang nach ihm verzehrt. Ich musste mit ansehen, wie er auf Olga Vyalov hereinfiel, diese oberflächliche Kuh. Sie hatte ihn nichtverdient, aber sie hatte zwei funktionstüchtige Augen. Zum Glück hat sie sich von ihrem Chauffeur dick machen lassen.« Mutter befleißigte sich manchmal einer rüden Ausdrucksweise, vor allem, wenn Großmama außer Hörweite war. Während ihrer Jahre bei der Zeitung hatte sie einige schlechte Gewohnheiten angenommen. »Dann zog er in den Krieg. Ich musste ihm nach Frankreich folgen, damit er mir nicht von der Fahne ging.«
Bei ihrer Rückbesinnung mischte sich Schmerz in die Nostalgie, Woody merkte es genau. »Aber dann hat er begriffen, dass du für ihn die Richtige warst?«, fragte er.
»Am Ende, ja.«
»Vielleicht ergeht es mir genauso.«
Seine Mutter küsste ihn. »Viel Glück, mein Sohn.«
Das Haus der Rouzrokhs lag weniger als eine Meile entfernt, und Woody ging zu Fuß dorthin. Kein Rouzrokh würde heute Abend in den Yacht Club kommen. Nach einem mysteriösen Zwischenfall im Washingtoner Ritz-Carlton war Dave Rouzrokh in allen Zeitungen gewesen. Eine typische Schlagzeile hatte gelautet: KINOMOGUL VON STARLET BESCHULDIGT . Woody hatte gelernt, den Zeitungen zu misstrauen, doch leichtgläubige Menschen sagten sich, dass irgendetwas an der Sache dran sein müsse; warum sonst hätte die Polizei Dave Rouzrokh festnehmen sollen? Seither war kein Angehöriger der Familie Rouzrokh bei einem gesellschaftlichen Ereignis zu sehen gewesen.
Vor dem Haus wurde Woody von einem bewaffneten Wachmann angehalten. »Die Familie empfängt keinen Besuch«, sagte er schroff.
Woody vermutete, dass der Mann viel Zeit damit verbringen musste, Reporter abzuwimmeln, und verzieh ihm den unhöflichen Ton. Ihm fiel der Name des Dienstmädchens der Rouzrokhs ein. »Bitten Sie Miss Estella, Joanne auszurichten, dass Woody Dewar ein Buch für sie hat.«
»Du kannst das Buch bei mir lassen.« Der Wachmann streckte die Hand aus.
Woody drückte das Buch fest an sich. »Nein, danke.«
Der Wachmann starrte ihn verärgert an, führte ihn dann aber die Auffahrt hoch und klingelte an der Tür. Estella öffnete. »Hallo, Mr. Woody!«, rief sie. »Kommen Sie herein! Joanne wird sich sehrfreuen, Sie zu sehen.« Woody erlaubte sich einen triumphierenden Blick auf den Wächter; dann trat er ins Haus.
Estella führte ihn in einen leeren Salon und bot ihm Milch und Kekse an, als wäre er ein Kind, doch er lehnte höflich ab. Eine Minute später erschien Joanne. Ihr Gesicht war verhärmt, und ihre olivfarbene Haut wirkte ausgewaschen, aber sie lächelte ihn freundlich an und setzte sich zu ihm.
Sie freute sich über das Buch. »Jetzt kann ich Freud lesen, anstatt nur über ihn zu quasseln«, sagte sie. »Du hast einen guten Einfluss auf mich, Woody.«
»Ich wäre lieber ein schlechter Einfluss.«
Sie ließ ihm die Bemerkung durchgehen. »Gehst du nicht auf den Ball?«
»Ich habe eine Eintrittskarte, aber wenn du nicht dort bist, weiß ich nicht, was ich da soll. Möchtest du mit mir ins Kino gehen?«
»Nein, danke, wirklich nicht.«
»Wir könnten zu Abend essen. Irgendwo, wo es ruhig ist. Wenn es dir nichts ausmacht, mit dem Bus zu fahren …«
»Ach, Woody, natürlich habe ich nichts gegen eine Busfahrt, aber du bist einfach zu jung für mich. Und die Sommerferien sind fast zu Ende. Bald gehst du wieder zur Schule, und ich muss zurück nach Vassar.«
»Und da hast du wohl Verabredungen.«
»Das will ich doch hoffen!«
Woody stand auf. »Okay, dann lege ich das Keuschheitsgelübde ab und trete in ein Kloster ein. Bitte komm mich nicht besuchen, sonst machst du nur die anderen Brüder nervös.«
Sie lachte. »Danke, dass du mich von den Sorgen meiner Familie ablenkst.«
Zum ersten Mal erwähnte sie, was ihrem Vater widerfahren war. Woody hatte nicht vorgehabt, das Thema anzuschneiden, aber nun, da Joanne davon sprach, sagte er: »Du weißt, dass wir alle auf eurer Seite stehen. Niemand nimmt dieser Schauspielerin ihre Geschichte ab. Die ganze Stadt weiß, dass es eine Falle war, die Lev Peshkov, dieses Schwein, deinem Vater gestellt hat.«
»Das weiß ich. Aber der Vorwurf allein ist eine Schande, die mein Vater nicht erträgt. Ich glaube, meine Eltern werden nach Florida ziehen.«
»Das tut mir
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