Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
leid.«
»Danke. Jetzt geh zum Ball.«
»Vielleicht tue ich das.«
Sie brachte ihn zur Tür.
»Darf ich dich zum Abschied küssen?«, bat er.
Sie beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund. Doch dieser Kuss war anders; Woody begriff sofort, dass er Joanne diesmal nicht packen und seine Zunge in ihren Mund zwängen durfte. Es war ein sanfter Kuss, und ihre Lippen berührten die seinen nur einen süßen Augenblick lang, der nach einem Atemzug vorüber war. Dann löste sie sich von ihm und öffnete die Vordertür.
»Gute Nacht«, sagte Woody, als er hinausging.
»Adieu«, sagte Joanne.
Greg Peshkov war verliebt.
Er wusste, dass sein Vater ihm Jacky Jakes gekauft hatte, als Belohnung für seine Hilfestellung bei der Falle für Dave Rouzrokh; dennoch empfand er aufrichtige Liebe für das Mädchen.
Wenige Minuten nachdem sie von der Polizeiwache zurückgekehrt waren, hatte Greg seine Unschuld verloren. Fast eine ganze Woche hatten die beiden im Ritz-Carlton im Bett verbracht. Greg brauche sich um Empfängnisverhütung keine Gedanken zu machen, sagte Jacky, denn sie sei »gerüstet«. Er hatte nur eine sehr vage Vorstellung, was sie damit meinte, aber er nahm sie beim Wort.
In seinem ganzen Leben war er noch nie so glücklich gewesen. Greg verehrte Jacky, besonders wenn sie nicht das kleine Mädchen spielte und Scharfsinn und bissigen Humor erkennen ließ. Sie gab zu, Greg auf Weisung seines Vaters verführt zu haben, aber sie habe sich gegen ihren Willen in ihn verliebt. Mit richtigem Namen hieß sie Mabel Jakes, und sie war nicht neunzehn, wie sie behauptet hatte, sondern erst sechzehn, nur wenige Monate älter als Greg.
Lev hatte ihr eine Rolle in einem Film versprochen, behauptete aber, bis jetzt noch nicht das Richtige gefunden zu haben. In perfekter Nachahmung seines verbliebenen russischen Akzents sagte sie: »Aber ich glaube nicht, dass er sich allzu sehr anstrengt.«
»Wahrscheinlich gibt es auch nicht allzu viele Rollen für Negerinnen«, sagte Greg.
»Ich weiß. Am Ende spiele ich doch nur das Dienstmädchen und sage ›Lawdy‹ zur Herrin des Hauses. Dabei gibt es in vielen Theaterstücken und Filmen Afrikaner – Kleopatra, Hannibal, Othello –, aber meist werden sie von Weißen gespielt.« Jackys verstorbener Vater war Professor an einem Neger-College gewesen, und sie kannte sich mit Literatur besser aus als Greg. »Außerdem, warum sollten Neger nur Schwarze spielen? Wenn eine weiße Schauspielerin die Kleopatra geben kann, wieso soll Julia dann nicht schwarz sein?«
»Die Leute würden es merkwürdig finden«, sagte Greg.
»Die Leute würden sich daran gewöhnen. Sie gewöhnen sich an alles. Muss Jesus immer von einem Juden gespielt werden? Das interessiert doch keinen.«
Greg musste gestehen, dass sie recht hatte. Aber er glaubte nicht, dass es je so weit kommen würde.
Als Lev ihre Rückkehr nach Buffalo angekündigt hatte – wie üblich in letzter Minute –, war Greg am Boden zerstört gewesen. Er hatte seinen Vater gefragt, ob Jacky mitkommen könne, doch Lev hatte nur gelacht und erwidert: »Sohn, man scheißt nicht, wo man isst. Du kannst sie wiedersehen, wenn du das nächste Mal nach Washington kommst.«
Trotzdem war Jacky ihm einen Tag später nach Buffalo gefolgt und in ein billiges Apartment in einer Nebenstraße der Canal Street gezogen.
In den nächsten beiden Wochen waren Lev und Greg mit der Übernahme von Roseroque Theatres beschäftigt. Dave Rouzrokh verkaufte seine Kinokette am Ende für zwei Millionen Dollar, einem Viertel des ursprünglich gebotenen Preises, und Gregs Bewunderung für seinen Vater stieg in ungeahnte Höhen. Jacky hatte ihre Anzeige zurückgezogen und den Zeitungen gegenüber angedeutet, eine Schadenersatzzahlung akzeptiert zu haben. Über die abgebrühte Dreistigkeit seines Vaters konnte Greg nur staunen.
Und er hatte Jacky. Seiner Mutter sagte er, er sei jeden Abend mit Freunden unterwegs; in Wirklichkeit verbrachte er seine gesamte freie Zeit mit Jacky. Er zeigte ihr die Stadt, picknickte mitihr am Strand und fuhr sogar einmal in einem geliehenen Rennboot mit ihr auf den See. Niemand brachte Jacky mit dem verschwommenen Zeitungsfoto eines Mädchens in Verbindung, das im Bademantel das Ritz-Carlton verließ.
Meist vertrieben sie sich die warmen Sommerabende mit leidenschaftlichem Sex auf den zerdrückten Laken des schmalen Bettes in ihrem kleinen Apartment. Sie beschlossen zu heiraten, sobald sie alt genug waren.
Heute Abend wollte Greg sie
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