Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
es ein Fehler sein könnte, nicht wahr? Dass du dich in Gefahr bringen könntest?«
Winters Augen weiteten sich. Unter den gegebenen Umständen war das sogar wahrscheinlich.
»Ich bin es leid, in der Vergangenheit nach Antworten zu suchen«, erwiderte sie flüsternd. »Ich will herausfinden, wer ich bin.«
R hys kehrte am nächsten Tag zur Schule zurück. Die Gewissheit, dass Winter dort irgendwo in seiner Nähe war, durchdrang jede Faser seines Körpers.
Er sah sie im Gedränge auf dem Schulkorridor. Sie wechselten nur einen Blick … Ihre Zeit würde bald kommen, doch im Moment mussten sie warten.
Gareth Chiplin stand plötzlich neben Winter.
»Früher oder später muss ich dir eine Uhr schenken«, sagte er.
Er nahm ihr die Bücher aus der Hand und steckte sie ohne großes Aufhebens in seine Schultasche.
»Ich habe Hunger«, war seine einzige Erklärung.
Winter lächelte. Sie wusste, dass der Augenblick vorüber war, sie würde Rhys nicht mehr sehen, selbst wenn ihre Augen nach ihm suchen würden.
»Entschuldige, ich komme schon«, sagte sie.
Gareth musterte aufmerksam ihr Gesicht. Er hätte alles gegeben, um zu verstehen, was sie verbarg, aber zumindest war ihr Gesichtsausdruck jetzt entspannter. Vielleicht hatte sie etwas von ihrer Traurigkeit verloren, oder das Leben ging einfach nur weiter.
Er legte ihr einen Arm um die Schulter, auf seinen Lippen das übliche schiefe Lächeln, und zog sie weiter zur Mensa.
»Ich hoffe, wir finden noch irgendwo etwas zu essen«, brummte er, während sie im Marschtempo die Schulkorridore durchquerten.
»Wenn wir uns in der Stadt etwas holen müssen, spendierst du mir das Mittagessen.«
Winter ließ sich mitziehen. Das Leben lief wieder normal weiter, mit Schule, Hausaufgaben, Gareth … Alles wirkte wie immer, und doch würde nichts mehr sein wie vorher.
»Okay, das bin ich dir schuldig. Aber du brauchst jetzt nicht absichtlich Zeit zu verlieren«, erwiderte sie in leichtem Ton.
»Würde ich nie tun.«
»Ach nein, tatsächlich?«
Sie standen schon fast vor der Mensa, als Winter ihren Namen hörte.
»Win!«, rief Madison Winston.
Winter schlug sich verblüfft die Hand vor den Mund und riss die Augen auf.
Madison war hier …
Sie warf sich in die Arme ihrer Freundin und riss sie in einem Wirbel rabenschwarzer Haare herum.
Madison drückte sie so fest, dass sie zitterte.
»Du hast mir gefehlt, Mad. Ich hatte Angst, dass du mich nicht mehr sehen willst …«
Madison schüttelte den Kopf.
»Du wirst mir einiges erklären müssen, Win«, flüsterte sie an ihrem Hals.
Sie verharrten lange in ihrer Umarmung, glücklich, dass sie erneut zusammen waren.
An dem Freitag hatte es nicht einen Augenblick zu regnen aufgehört und die Autofahrt nach Wales war für Iago Rhoser alles andere als entspannend.
Unter dem prasselnden Regen sah auf der A55 alles gleich aus. Er erkannte die Abzweigung nach Colwyn Bay erst im allerletzten Moment.
Bethan saß neben ihm. Sie war angespannt, aber nur in der Erwartung dessen, was auf sie zukam, denn das Bündnis zwischen ihnen beiden existierte nunmehr seit fast sechzehn Jahren.
»Der Pater wird nicht besonders erfreut sein zu erfahren, dass ich lebe …«, brach sie das lange Schweigen.
Der Exekutor warf ihr einen knappen Blick zu.
»Wichtig ist, dass er den Grund dafür nicht kennt …«
Das musste ihr Geheimnis bleiben.
Bethan schmunzelte.
»Es würde dein Image zerstören, wenn sich herumsprechen würde, dass du den Leuten das Leben rettest …«
In der Nacht, als er in Cae Mefus bei ihr eingedrungen war, hatte Bethan geglaubt, ihre letzte Stunde hätte geschlagen. Der Exekutor hatte jedoch den Vampir mit den Raubvogelaugen, der ihm zuvorgekommen war, verjagt und sie versteckt.
Bethan Davies verdankte Iago Rhoser zum zweiten Mal ihr Leben.
»Fennah fürchtet, du könntest das tun, was du in Wahrheit bereits tust: die Fakten miteinander in Beziehung setzen und ihn überführen.«
Sie dachten an die Vergangenheit, an den Tag, als beide erkannt hatten, dass sie alle getäuscht worden waren.
»Wir haben sehr lang gewartet, Exekutor.«
Der Mann grinste auf seine finstere Art, doch die Gespenster von Elaine Mitchell und Morgan Blackwood standen zwischen ihnen.
Sie zu töten war unausweichlich gewesen, und fünfzehn Jahre danach erinnerte die Narbe in Iago Rhosers Gesicht noch immer an den Preis, den er für seine Pflicht bezahlt hatte.
Bethan hatte, im Gegensatz zu ihm, die beiden gerngehabt und hätte sie nie
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