Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
aufgelauert.
Bei ihrer letzten Begegnung hatte der Vampir mit dem ausdruckslosen Gesicht ihn nicht ernst genommen, hatte ihn bloß für einen lästigen kleinen Jungen gehalten, der sich als Held aufspielen wollte.
Doch als Rhys ihn jetzt so richtig schmerzhaft an der Kehle packte, bereute er seine Fehleinschätzung.
»Wo haltet ihr sie gefangen?«
In den schillernden, ockerbraunen Augen war kein Erbarmen.
»Zum Teufel!«, keuchte der Vampir. »Du tötest mich doch sowieso.«
Rhys grinste grausam und bleckte seine Eckzähne.
»Richtig«, erwiderte er und krallte ihm die Fingernägel in die Luftröhre. »Du kannst nur noch entscheiden, wie schmerzhaft es sein soll.«
Er war ein Scheusal. Was kümmerte es ihn noch? Winters Blut, verflucht und voller MACHT , wallte in seinen Adern.
Verzweifelt nach Luft ringend, fand der andere die Kraft, ihn an den Haaren zu packen. Er riss so fest, dass Rhys gezwungen war, seinen Griff zu lockern.
Der Vampir machte einen Satz und entkam ihm.
Nun wurde Rhys’ Gesicht zu einer grausamen, unmenschlichen Maske, zum Antlitz des Todes.
Die Bestie brüllte.
Verzeih mir, Winter!
, bat er innerlich und setzte zum Angriff an.
Es war ein gnadenloser, brutaler Tanz, und das UNTIER fand ein grausames Vergnügen daran.
Rhys gelang es, den Vampir mit dem Gesicht gegen die Wand zu drücken, dann versetzte er ihm einen perfekt bemessenen Handkantenschlag in den Nacken. Die Stirn seines Gegners prallte gegen die Wand. Er begann zu bluten, war benommen, doch Rhys hatte nicht im Sinn, ihn schon sterben zu lassen.
Er presste ihn mit dem Gewicht seines Körpers an die Wand und nahm das Gesicht des Vampirs in die Hände. Mit der Linken packte er das Kinn, mit der Rechten umfasste er den Kopf. Eine einzige Drehung hätte genügt, um ihm das Genick zu brechen.
Er ließ ihm Zeit, sich dessen bewusst zu werden.
»Jetzt plaudern wir mal ein bisschen«, zischte er. »Sag mir, wo Madison gefangen gehalten wird.«
Ein Teil von ihm hoffte beinahe, sein Gegner würde weiterhin Widerstand leisten. Er wollte in der mörderischen Gewaltspirale untergehen. Wenn er schon nicht wiedergutmachen konnte, was er getan hatte, wäre es eine gerechte Strafe, sich dem UNTIER zu ergeben.
Rhys presste dem Vampir das Knie in die Niere.
Er grunzte vor Schmerz.
»In der Nähe von Glan Gors ist eine verlassene Mühle, dort ist das Mädchen«, röchelte er.
Das war nicht weit.
Rhys jubelte innerlich.
»Wer bewacht sie? Nur deine Kumpanen?«
Er krallte ihm die Finger ins Gesicht.
Ein heiseres Krächzen.
»Da sind noch zwei andere.«
Eine letzte Information wollte er hören.
»Hat einer von ihnen die Entführung geplant?«
Der Vampir verstand, dass die Antwort auf diese Frage sein Todesurteil besiegeln würde.
Er atmete tief durch und nahm allen Mut zusammen, bevor er sich seinem Schicksal stellte.
»Nein«, sagte er schließlich, »jemand, der unendlich viel stärker ist. Ich schwöre, dass ich seinen Namen nicht kenne.«
Sein Gesichtsausdruck war ergeben und aufrichtig. Er war bereit zu sterben.
Erst in diesem letzten Moment begriff er, dass er nicht von einem lästigen Jungen getötet wurde, sondern von jemandem, der sich vom Blut der beiden Geschlechter genährt hatte. Dann wurde sein Hals auf unnatürliche Weise abgedreht.
Rhys Llewelyn empfand weder Schuldgefühl noch Bedauern beim Anblick des leblosen Körpers.
Das UNTIER hatte von Neuem gesiegt.
A m Klubsitz der Nox’ konnte Cameron Farland nicht schlafen.
Er starrte die Zimmerdecke an und horchte auf die Geräusche der Nacht.
Rhys war vor mehreren Stunden weggegangen, wie er es in letzter Zeit oft tat, wenn er dachte, die anderen wären eingeschlafen.
Er war seltsam in diesen Tagen.
Sein Gesichtsausdruck war der von jemandem, der sich selbst hasste.
Cameron war überzeugt, dass er das Haus von Winter Starr bewachte, die in der Tat ein solches Talent hatte, in Schwierigkeiten zu geraten, dass es keine entspannende Aufgabe sein konnte, über sie zu wachen.
Er hörte das Schleifen der sich öffnenden Eingangstür im Erdgeschoss, das kaum wahrnehmbare Geräusch von Schritten.
Lautlos erhob er sich.
Rhys wusste genau, was er tun musste.
Er ging eilig in sein Zimmer und nahm das Serum.
Er würde nicht lange brauchen, um nach Glan Gors zu kommen. Vier Gegner waren kein Kinderspiel, doch es kümmerte ihn nicht, wenn er dabei sterben würde, er wollte nur Winters Freundin retten.
Er löste das Serum in einem Glas Wasser auf und trank, hoffte
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