Winter Im Sommer - Fruehling Im Herbst
dagegen 1991 mehr oder weniger naiv ihre Unterstützung zu. 2005 allerdings konnte fast seine gesamte Akte wiederhergestellt werden. Sie fand sich in einem der blauen Säcke, in denen das Bürgerkomitee 1989 willkürlich zerstörte Unterlagen gesichert hatte. Danach war IM Heiner am 11. Juni 1968 angeworben worden und hatte bis zum 7. Oktober 1989, also dem bitteren Ende der DDR, über Studenten und Kollegen berichtet und sich für seine Leistungen mit Orden, Geldprämien und Geschenken auszeichnen lassen.
Meine Gegner fanden sich nach meinem Auftritt bestätigt in ihrem Urteil, ich sei ein »politischer Missionar« und sehr emotional. Aber in der äußerst angespannten Situation wäre vermutlich jeder Versuch, um Verständnis für unsere Position zu werben, als Schwäche ausgelegt worden. Ich war ein Behördenchef geworden, aber ein Aufklärer geblieben. Mehrfach gab ich kämpferische Statements in der Öffentlichkeit ab, und es war oft eine Frage des Ermessens, was noch als sachgerechte, wenn auch engagierte Erklärung und Informierung aufgefasst und was bereits als eine Grenzüberschreitung, eine unverhältnismäßige oder gar willkürliche Wertung vorgefundenen Materials eingestuft wurde.
Der Streit darum, wo die Grenze zwischen Erklärung und Wertung lag, zog sich durch viele Debatten und mehrere Prozesse. Durfte Gregor Gysi eine Zusammenarbeit mit dem MfS unterstellt werden, oder war das eine Schmähkritik? Durfte ich im Interview mit einer polnischen Zeitschrift erklären, dass die Unterlagen im Fall des brandenburgischen Ministerpräsidenten Stolpe »zum Beispiel in Sachsen ausreichen würden, ihn seines Amtes zu entheben«, oder war das eine mir als Behördenleiter nicht zustehende Bewertung? Dies durfte ich laut Gericht nicht und habe es auch nicht mehr getan. Aber es blieb der einzige Fall, in dem mir eine Äußerung gerichtlich untersagt wurde. Andere weitergehende
Forderungen mir gegenüber konnte Stolpe vor Gericht nicht durchsetzen. Jedenfalls erschien ich den einen (meist im Westen) oft zu unberechenbar, zu politisch, zu eigenwillig, den anderen (meist im Osten) zu bürokratisch, zu angepasst, zu westlich.
Ich habe mein Recht auf persönliche Meinungsäußerung immer dann verteidigt, wenn relevante Fragen von Struktur und Wirkungsweise des MfS zur Debatte standen. Ich musste und wollte nicht schweigender Zuhörer von Lügen, Beschönigungen und Beschwichtigungen sein. Weder Stolpe noch Gysi oder Fink oder gar Schnur und erst recht nicht die ehemalige Stasi-Generalität sollten den öffentlichen Diskurs in Stasi-Themen bestimmen und die Deutungshoheit übernehmen. Hier von mir Unparteilichkeit zu erwarten, wäre überzogen gewesen; parteipolitisch waren meine Stellungnahmen hingegen nie orientiert; gleich mit der Amtsübernahme bin ich aus dem Bündnis 90 ausgetreten.
Anfangs wurden in der Öffentlichkeit noch Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Stasi-Dokumente geäußert. Hatte das MfS nicht selbst gezielt falsche Informationen in Umlauf gesetzt? Hatten IM und Stasi-Offiziere nicht tendenziös oder selektiv berichtet? Nach jahrelangem Umgang mit den Akten dürfte allerdings weitgehend anerkannt sein, dass die Staatssicherheit im Interesse ihrer eigenen Funktionsfähigkeit darauf drang, dass die IM möglichst »objektiv, unverfälscht, konkret und vollständig« über die für sie wichtigen Sachverhalte berichteten - was sie beispielsweise dadurch kontrollierte, dass sie zwei IM zum selben Sachverhalt befragte -, dass in den Unterlagen deutlich zwischen Desinformation und anderen Informationen unterschieden wurde, so dass insgesamt zuverlässige Quellen entstanden, selbst wenn sie einen gewissen Grad von Ideologisierung aufweisen und selbstverständlich einzelne unkorrekte, oberflächliche oder tendenziöse Aussagen enthalten.
Wenn belastende Materialien vorlagen, haben wir sie an die personalführenden Stellen geschickt; im Fall der Hochschullehrer gingen sie an die Kultusminister. Da diese aber selten zur Beurteilung der Unterlagen imstande waren, haben die Universitäten
Ehrenkommissionen geschaffen, die in schwierigen Fällen die betreffenden Akten einsehen und sich von Mitarbeitern der Behörde einzelne Zusammenhänge oder unbekannte Begrifflichkeiten erklären lassen konnten. Zur Personalentscheidung selbst wurden wir aber nie herangezogen. Insofern war es bösartig, wenn mich die PDS-nahe Presse wider besseres Wissen als Großinquisitor darstellte.
Dass es im öffentlichen Dienst eine Hatz
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