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Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Titel: Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine K. Albright
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womöglich schon einen Plan für eine Vereinigung der demokratischen Kräfte? War er sich eigentlich darüber im Klaren, wie sehr Gottwalds Männer bereits die Armee, die Polizei, Gewerkschaften, Medien und sogar das Außenministerium unterwandert hätten?
    Kaum eine Aussage hätte bei meinem Vater lauter die Alarmglocken klingeln lassen können als die übertrieben optimistischen Äußerungen des Präsidenten. »So pessimistisch ich mit Blick auf die internationalen Entwicklungen bin«, sagte Beneš, »so optimistisch bin ich bezüglich der inneren Entwicklung. Die Wahlen finden im Frühjahr statt. Die Kommunisten werden verlieren, und das zu Recht. Die Menschen durchschauen ihre Politik und lassen sich nicht hinters Licht führen. Ich möchte nur nicht, dass sie allzu große Verluste hinnehmen. Das würde den Zorn Moskaus reizen.« 43
    In Jugoslawien hatte mein Vater gesehen, wie sehr Stalin lokale Führer unter Druck setzen konnte. Er äußerte seine Befürchtung, dass die tschechoslowakischen Kommunisten angesichts des Schreckgespenstes einer Wahlniederlage versuchen könnten, einen Putsch zu inszenieren, als einzige Möglichkeit, den eigenen Kopf zu retten.  Wiederum meinte Beneš, es bestehe kein Grund zur Beunruhigung:
    Sie dachten an einen Putsch im September, ließen aber den Gedanken fallen und werden es nicht mehr versuchen. Sie fanden selbst heraus, dass ich eine gewisse Autorität in dem Staat genieße. Und nicht nur das. Sie wissen, dass ich zahlreiche Anhänger in der Arbeiterklasse habe, sogar unter vielen kommunistischen Arbeitern. Sie sind zu der Erkenntnis gelangt, dass sie gegen mich nichts ausrichten können. 44
    Mein Vater war noch nicht beruhigt und bat Beneš, zur Loyalität hoher Verteidigungsbeamter und Militärs eine Einschätzung abzugeben, einen nach dem anderen. Der Präsident sprach sich für die meisten aus und war erstaunt, als er erfuhr, dass der Befehlshaber der Luftwaffe ein Kommunist war. Als mein Vater auch Zweifel an General Svoboda äußerte, dem Verteidigungsminister, erwiderte Beneš,
dass er ein zuverlässiger Mann sei. »Machen Sie sich keine Sorgen, Botschafter«, sagte der Präsident, als das Treffen zu Ende ging. »Kehren Sie nach Belgrad zurück und machen Sie dort Ihre Arbeit.«
    Auf der gleichen Reise traf sich mein Vater mit Gottwald zum Mittagessen in seiner Villa. Das Gespräch wandte sich unweigerlich einem Vergleich der Lage in Jugoslawien und jener in der Tschechoslowakei zu. Vielleicht war es unklug, aber mein Vater konnte der Versuchung nicht widerstehen, seinen Gastgeber ein wenig zu necken. »Die Kommunisten in Belgrad sind nicht der Meinung, dass Sie wissen, was Sie tun«, sagte er. »Sie sagen, Sie wären nur ein langsamer Trainer und würden verlieren.« Erhitzt durch eine Kombination aus Wut und Schnaps, schoss Gottwald zurück: »Ich werde ihnen zeigen, wie wir gewinnen werden. Und das wird nicht die komische Stimmabgabe sein, die sie in Belgrad vollführen.« 45
     
    S eit Mitte Januar war jede Kabinettssitzung von erbitterten Diskussionen geprägt. Da schon wenige Monate später eine Wahl bevorstand, war ein konsequenteres Einhalten der Parteilinie ganz normal, doch die tschechoslowakische Demokratie war wie ein schrottreifer Wagen mit ausgedienten Stoßdämpfern: Jedes Schlagloch spürte man heftig, und der nächste Hüpfer konnte der letzte sein. Immerhin rollte der Wagen noch, und es tauchten immer neue Schlaglöcher auf. Die Demokraten forderten eine strafrechtliche Verfolgung der Kommunisten, weil sie versucht hätten, drei ihrer Minister in die Luft zu jagen; die Kommunisten warfen den Demokraten eine Verschwörung vor, um sie aus der Regierung zu verdrängen. Jede Seite warnte die andere, dass die Wahl wegen der hinterhältigen Taktik der anderen unfair sein werde; aber beide wiesen derartige Unterstellungen – sobald sie gegen sie selbst erhoben wurden  – empört als ungerechtfertigt zurück. Als der Januar zu Ende ging und der Februar begann, stritten sich die gleichmäßig aufgeteilten Minister um die Steuer- und Wirtschaftspolitik, um das Tempo der Verstaatlichung und die Löhne der Staatsdiener. Die einzige Atempause kam dank einer Kommission, die man zur Klärung des Status der Slowakei in dem Land eingesetzt hatte. Laut dem Abschlussbericht bildet »die Tschechoslowakei einen Staat, einen
einheitlichen und unteilbaren, der aus zwei untrennbaren, gleichberechtigten Nationen besteht«. Das war zumindest so verwirrend formuliert,

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