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Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Titel: Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine K. Albright
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verlaufenen Frühling. Wenn das Expeditionskorps aufgerieben worden wäre, hätte das britische
Commonwealth allein und mit einer Rumpfarmee die Deutschen bekämpfen müssen. Die Royal Navy, die Küstenwache und eine Flotte freiwilliger Kapitäne brachten zuerst 100 000, dann 200 000 und zuletzt über 350 000 britische und verbündete Soldaten vom Strand weg. Genau in dem Moment, als sich die Engländer bereits auf das Schlimmste gefasst machten, gelang ihnen ein wahres Wunder.
    Kein Redner hätte jemals Churchill in jenen Wochen übertreffen können. Im Mai hatte er der Bevölkerung nichts anzubieten außer »Blut, Mühsal, Schweiß und Tränen«. 38 Am 4. Juni versprach er: »Wir werden ausharren, … wir werden auf den Meeren und Ozeanen kämpfen … in der Luft … auf den Dünen … Landeplätzen … Feldern … Straßen [und] … wir werden auf den Hügeln kämpfen«. 39 Und am 18. Juni erklärte er: r
    Ich erwarte, dass nun die Schlacht um England beginnen wird … Hitler weiß sehr wohl, dass er uns auf dieser Insel niederwerfen muss oder den Krieg verlieren wird. Wenn wir seinen Angriff abschlagen können, so kann ganz Europa befreit werden, und das Schicksal der Welt wird sich auf einer hellen, sonnigen Bahn aufwärts bewegen. Wenn es uns aber misslingt, dann wird die Welt, auch die Vereinigten Staaten, und all das, was wir gekannt und geschätzt haben, in den Abgrund eines neuen Mittelalters versinken, den das Licht einer missbrauchten Wissenschaft nur noch dunkler und vielleicht tiefer macht. Rüsten wir uns daher zur Erfüllung unserer Pflicht; handeln wir so, dass, wenn das Britische
Weltreich mit seinem Staatenbund noch tausend Jahre besteht, die Menschen immer noch sagen werden: »Das war ihr herrlichster Augenblick!« 40
    So aufrüttelnd Churchills Reden waren, können Worte allein das klägliche Schauspiel nicht ändern, das die Welt Mitte des Jahres 1940 erlebte. Am 10. Juni war Italien an der Seite Deutschlands in den Krieg eingetreten. Vier Tage danach überrannte die Wehrmacht Paris, und nur 72 Stunden später kapitulierten die Franzosen. Die Kapitulationszeremonie fand auf einer Lichtung im Wald von Compiègne statt. Hitler kam als Erster an und hielt kurz vor einem Denkmal zum Gedenken an die Niederlage von 1918 des »verbrecherischen Hochmuts des deutschen Kaiserreiches« inne. Der »Führer« wandte sich ab und stieg in denselben (von den siegreichen Franzosen sorgfältig gepflegten) Eisenbahnwagen, in dem deutsche Offiziere 22 Jahre zuvor die Niederlage eingeräumt hatten. Nach ihm nahmen die französischen Offiziere ihre Plätze ein und hörten sich mit steinernen Gesichtern die Bedingungen der Kapitulation an. Nach einem Austausch von Salutschüssen war die 15-minütige Zeremonie zu Ende – und damit bis auf Weiteres auch Frankreich.
    Von April bis Juni 1940 hatte das Deutsche Reich über eine Million Quadratkilometer von Europa erobert, die Kontrolle über Luftwaffen- und Marinestützpunkte von der Nordsee bis nach Marseilles erlangt, sich den Zugriff auf reichlich Erze und Erdöl gesichert und die einzige ernstzunehmende, gegnerische Armee auf dem Kontinent vernichtet. Von West- und Mitteleuropa war kaum noch etwas übrig: nur Griechenland, Großbritannien und die bunt zusammengewürfelten Haufen der Exilanten, die es an die englische Küste verschlagen hatte. Beneš, der selten seine Wut offen zeigte, wies darauf hin, dass gut ein Drittel der deutschen Panzer, die nach Frankreich gerollt waren, in den Škoda-Werken gebaut worden waren, die inzwischen Munition für den Feind herstellten. Er war auch darüber verbittert, dass die BBC zur Feier der Rettung von Dünkirchen die Nationalhymnen aller Länder in der Koalition der Alliierten gespielt hatte – außer der Hymne der Tschechoslowakischen Republik.

13
FEUER AM HIMMEL
    13. August 1940: Von Reichsmarschall Göring an alle Einheiten der Luftflotten zwei, drei und fünf: Operation Adler. In kürzester Zeit werden Sie die britische Air Force vom Himmel fegen. Heil Hitler! 54
    Die Luftwaffe hatte schon im Spanischen Bürgerkrieg Erfahrung bei der Unterstützung faschistischer Streitkräfte gesammelt und hatte wirkungsvoll die deutschen Invasionen in Polen, den Niederlanden und Frankreich unterstützt. Angespornt von diesen Erfolgen, begannen die Deutschen die Luftschlacht um England mit einer geradezu himmlischen Zuversicht. Ihre Strategie bestand darin, den Gegner, der ihrer Ansicht nach isoliert war und vor Angst

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