Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)
bauen.
»Martin, was tust du da?«
Martin fuhr herum. Hinter ihm stand Sara. Sie hatte seine Winchester in den Händen und zielte auf seine Brust.
Sie schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. Sie war im Nachthemd, hatte sich aber Mantel und Stiefel übergezogen.
Er erstarrte, die Schaufel in der Hand. »Sara«, stammelte er. »Ich dachte … Du solltest dich doch ausruhen.«
»Oh ja. Die arme, kranke Sara mit ihrem kranken Geist braucht Ruhe, nicht wahr? Wenn nicht, dann fesseln wir sie wieder ans Bett.« Sie schnitt eine Grimasse.
»Ich …«, begann er, unfähig, die Worte auszusprechen. Es tut mir leid. All das tut mir so leid.
»Wonach suchst du, Martin? Was glaubst du, befindet sich in Gerties Tasche?«
Er blickte auf das raue Holz hinunter. »Ich weiß es nicht.«
Sie lächelte, hatte aber das Gewehr weiterhin auf ihn gerichtet. »Nun, dann sollten wir nachschauen, meinst du nicht? Grab weiter, Martin. Lass uns den Sarg öffnen und nachsehen, was wir darin finden.«
Vorsichtig entfernte er die restliche Erde vom Sargdeckel, stellte die Laterne dicht an den Rand der Grube und sprang hinein. Er stellte sich breitbeinig über den kleinen Sarg, nahm seinen Hammer und begann den Deckel aufzustemmen. Doch er saß bereits locker, die Nägel lösten sich ohne Widerstand aus ihren Löchern. Martins Hände zitterten so stark, dass er den Hammer fallen ließ. Er packte die Kanten des Deckels und zog.
Was er sah, entlockte ihm einen Schrei, der wie der eines kleinen Jungen klang. Sein Inneres wurde kalt.
Leer. Der Sarg war leer.
Was hatte Sara getan?
Sara blickte lächelnd auf ihn herab und wiegte den Kopf von links nach rechts wie eine Schlange. Ihre Haut leuchtete im Mondlicht wie Alabaster.
»Siehst du, genau das ist das Problem, Martin. Wenn du in Gerties Tasche nachschauen willst, suchst du am falschen Ort.« Sie nahm das Gewehr in die rechte Hand und hob die linke in die Höhe. Über ihrem Ehering steckte der kleine beinerne Ring. Mit dem Daumen drehte sie ihn an ihrem Finger, diesen sonderbaren kleinen Ring, vor dem sie sich einst so gefürchtet hatte.
»Wo hast du den her?«, fragte Martin.
»Er steckte in Gerties Tasche.«
»Unmöglich«, stieß Martin hervor und erinnerte sich daran, wie der Ring an jenem Tag, als er in den Wald gegangen war, in seiner Manteltasche gewesen und dann auf einmal verschwunden war.
»Bleib, wo du bist«, warnte sie, das Gewehr im Anschlag. »Ich war mir so sicher, dass Aunties Geist es war, der diese schändliche Tat begangen hat, aber vielleicht ist die Wahrheit ja auch viel einfacher; vielleicht stand sie die ganze Zeit vor mir, und ich konnte es nur nicht ertragen, ihr ins Auge zu sehen.«
Sara machte einen Schritt zurück. Sie nahm das Gewehr jetzt wieder in beide Hände, hob es an die Schulter und nahm Martin ins Visier.
»Warst du es, Martin?«, fragte sie leise. »Hast du unserer Gertie das angetan?«
Martin taumelte zurück und sackte gegen die Wand der Grube. Es war, als hätte sie bereits abgedrückt.
Er dachte daran, wie er Gertie als winzigen Säugling im Arm gehalten hatte, ihr kleines Wunder; wie er mit ihr vergangenen Dezember Hand in Hand in den Wald gegangen war, um einen Baum auszusuchen, den sie für das Weihnachtsfest schlagen wollten – sie hatte eine Fichte mit einem Vogelnest darin entdeckt und darauf bestanden, dass er genau diesen Baum schlug.
»Haben wir nicht unheimliches Glück, Papa?«, hatte sie ihn gefragt. »Einen Weihnachtsbaum mit einem Vogelnest zu haben?«
»Ich …«, stotterte er und starrte Sara an. »Aber ich habe es nicht getan. Gott ist mein Zeuge, ich schwöre, ich würde unserem Kind nie etwas zuleide tun.«
Sara hielt seinen Blick fest, ihr Finger zuckte am Abzug. »Aber der Ring war in deiner Tasche, als du an jenem Morgen das Haus verlassen hast, nicht wahr?«
»Sara, bitte. Du bist nicht bei Sinnen.«
Sie schwieg einen Augenblick, wie um nachzudenken.
»Aber der Ring gehörte nicht dir , habe ich recht? Sondern ihr. Was bedeutet, dass sie es trotz allem gewesen sein kann.«
»Sara, dein Verstand ist getrübt. Du siehst Dinge, die gar nicht da sind.«
»Ist das so?«, sagte Sara. Sie ließ das Gewehr sinken, wandte sich um und blickte in die das Haus umgebenden Schatten. »Gertie?«, rief sie. »Dein Vater denkt, mein Verstand wäre getrübt. Komm und zeig es ihm, Liebling. Zeig ihm die Wahrheit.«
Martin stand auf dem leeren Sarg und spähte über den Rand der Grube ins Dunkel. Irgendwo dort
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