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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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sagte sie laut. Sie war am Ziel.
    Rasch machte sie sich an die Vorbereitungen, zog eine Kerze, Streichhölzer und Garys Kamera aus dem Rucksack. Sie legte den Schneeschuhhasen auf den Boden und tastete mit den Fingern seine Brust ab. Das Fell war weich, der Brustkasten winzig klein und biegsam. Nach kurzem Zögern schnitt sie den Hasen mit dem Schweizer Taschenmesser vorsichtig und behutsam entlang des Brustbeins auf. Es ging ganz leicht. Sie dachte an die Biologievorlesungen, die sie auf dem College besucht hatte, und es gelang ihr problemlos, Lunge und Herz des Tieres zu finden. Vorsichtig entfernte sie das noch warme Herz.
    Die alte Katherine hätte sich womöglich vor dieser Tätigkeit geekelt – die neue Katherine jedoch erledigte sie ohne Mühe, als täte sie dergleichen jeden Tag.
    Mit vom Hasenblut klebrigen Fingern zündete sie die Kerze an und hob Garys Kamera hoch.
    »Gary, ich rufe dich zu mir zurück. Schlafender erwache!« Sie sagte es sieben Mal, und jede Wiederholung war drängender, fordernder, bis sie beim letzten Mal fast schrie.
    Sie stach mit der großen Klinge des Messers in die Erde, die voller Steine, aber locker und sandig war. Sie grub mit dem Messer und hatte rasch ein kleines Loch ausgehoben. Dort hinein legte sie das winzige Herz und deckte es mit Erde zu. »Damit dein Herz wieder schlägt«, sagte sie mit klarer, fester Stimme.
    Dann grub sie ein zweites Loch. Diesmal nahm sie die Finger zu Hilfe und schaufelte Erde mit den Händen beiseite, bis das Loch groß genug war für die Kamera. »Etwas von dir, damit du den Weg zu mir findest.«
    Danach lehnte Katherine sich zurück und wartete. »Komm schon, Gary«, bat sie. »Ich habe meinen Teil erledigt. Jetzt bist du dran.«
    Sie wagte kaum zu atmen. Sie dachte daran, wie sie und Gary sich vor all den Jahren im Atelier auf dem College zum ersten Mal geküsst hatten – ein Kuss, von dem sie sich gewünscht hatte, er möge nie zu Ende gehen. Ein Kuss, der zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden war. Alles, was danach kam, drehte sich um ihn, als wäre er das Auge eines Wirbelsturms.
    Sie überließ sich der Vorstellung, wie es wäre, ihn wiederzusehen, ihn im Arm zu halten, ihn zu riechen, zu schmecken, zu atmen. All die Worte, die sie einander nicht mehr gesagt hatten, würden sie nun sagen können.
    Sieben ganze Tage. Was für ein Geschenk! In sieben Tagen konnten sie ein ganzes Leben leben. Sie konnten etwas von Austins Sachen aus einer Kiste in der Wohnung holen, damit zur Höhle gehen und ihn ebenfalls zurückholen. Dann wären sie wieder eine Familie.
    Je länger sie wartete, desto größer wurden ihre Zweifel.
    Was, wenn es nicht funktionierte?
    Oder was, wenn es funktionierte, aber der Gary, der zu ihr zurückkam, nicht mehr der Gary war, den sie kannte?
    Ihr Kopf füllte sich mit schrecklichen Bildern aus Zombiefilmen: bleiche, halb verfaulte Untote, denen die Gliedmaßen abfielen und die sich stöhnend, mit schweren Schritten durch das Land der Lebenden schleppten.
    Sie beschloss, nicht mehr länger zu warten, und packte ihre Sachen zusammen. Sie wollte hier weg, und zwar so schnell wie möglich.
    Als sie die Felskammer verlassen wollte, hörte sie Schritte in dem Tunnel, aus dem sie gekommen war. Sie waren langsam und gleichmäßig und kamen genau in ihre Richtung. Noch schlimmer: Jeden Schritt begleitete ein Scharren, ein grauenerregendes, schleifendes Geräusch.
    Sie fuhr herum und floh in die entgegengesetzte Richtung. Sie wagte nicht, die Lampe einzuschalten, sondern tastete sich mit schützend vor dem Körper ausgestreckten Händen blindlings durch die Dunkelheit.

1908

Martin
31. Januar 1908
    Er strauchelte auf dem Weg den Hügel hinunter. Zurück nach Hause. Ja, nach Hause. Er war auf dem Weg nach Hause.
    Er irrte seit mindestens zwei Stunden durch den Wald. Zunächst war er gerannt, dann gegangen, und irgendwann war er im Schnee zusammengebrochen; dort lag er dann und versuchte sich davon zu überzeugen, dass er sich die Gestalt in der Dunkelheit hinter Sara nur eingebildet hatte; dass er ein elender Feigling gewesen war, einfach davonzulaufen.
    Er bedurfte nicht seines Bruders, des Arztes, um zu wissen, dass ihm nur noch wenig Zeit blieb. Er wollte nicht in diesem gottverlassenen Wald sterben. Er wollte noch ein letztes Mal Sara sehen, ihr sagen, wie sehr er sie liebte, trotz allem, was geschehen war. Und mehr als alles andere wollte er sie davon überzeugen, dass er Gertie kein Leid angetan hatte. Er konnte unmöglich in

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