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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Gesicht, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.
    »Na, komm schon«, sagte Ruthie und strahlte wie ein Cheerleader. »So schwer ist das nicht. Du kannst doch ein Geheimnis für dich behalten, oder? Ich weiß, dass du das kannst. Du sagst mir ja nicht mal, wo du dich eben mit Mimi versteckt hast.«
    »Du hast gesagt, falls «, erwiderte Fawn.
    »Hm?«
    »Du hast gesagt, falls sie zurückkommt.« Ihr Kinn zitterte, und eine Träne lief ihr über die linke Wange.
    Ruthie stand auf und nahm ihre kleine Schwester in den Arm. Sie wusste, dass ihre Mom es immer so machte, wenn sie sie trösten wollte. Fawn fühlte sich klein und hohl an. Und sie war heiß. Ruthie umarmte sie fester und beschloss, bei ihr Fieber zu messen und ihr ein bisschen Fiebersaft zu geben, falls ihre Temperatur wirklich so hoch war, wie sie sich anfühlte. Das arme Ding. Was für ein beschissener Zeitpunkt, um krank zu werden. Ruthie versuchte sich daran zu erinnern, was Mom machte, wenn Fawn krank war – sie gab ihr Fiebersaft und flößte ihr tassenweise selbstgemachten, fiebersenkenden Kräutertee ein, deckte Fawn mit mehreren Decken zu und las ihr Geschichten vor. Genau dasselbe hatte sie früher auch für Ruthie getan.
    »Ich meine, wenn «, flüsterte Ruthie tröstend in Fawns Ohr. » Wenn sie zurückkommt. Weil sie nämlich ganz bestimmt zurückkommen wird.« Fawn erwiderte die Umarmung nicht, sondern stand schlaff und kraftlos da.
    »Aber was, wenn nicht? Was, wenn sie nicht zurückkommen kann oder so?«
    »Wir werden sie finden, Fawn. Ich schwöre es.«
    Sie ließ Fawn los und sah ihr ins Gesicht. »Geht’s dir gut? Hast du Halsschmerzen oder so was?«
    Fawns glasige Augen waren auf das Geheimfach im Fußboden gerichtet.
    »Ich glaube, da ist noch was drin«, sagte sie.
    Ruthie ging erneut auf die Knie und griff in das Loch. Sie merkte, dass es tiefer war als ursprünglich vermutet. Im hintersten Winkel ertastete sie die Ecke eines Buchs. Sie zog es heraus.
    Besucher von der anderen Seite. Das geheime Tagebuch der Sara Harrison Shea.
    Es war ein altes gebundenes Buch mit vergilbtem Schutzumschlag.
    »Komisch«, sagte Ruthie. »Wieso versteckt man ein Buch?« Sie nahm es hoch, betrachtete das Cover und blätterte einige Seiten um. Ihr Blick blieb an den Worten des ersten Tagebucheintrags hängen. Als ich zum ersten Mal eine Schlafende sah, war ich neun Jahre alt.
    Ruthie überflog den Rest des Eintrags.
    »Wovon handelt es?«, wollte Fawn wissen.
    »Wie’s aussieht, hat diese Frau geglaubt, es gäbe eine Möglichkeit, Tote wieder zum Leben zu erwecken«, antwortete sie.
    Ziemlich gruselig, aber trotzdem – warum hatte ihre Mutter das Buch versteckt?
    »Ruthie«, sagte Fawn plötzlich. »Schau dir mal das Bild auf der Rückseite an.«
    Hinten auf dem Umschlag war ein verschwommenes Schwarzweißfoto abgedruckt. Die Bildunterschrift lautete: Sara Harrison Shea vor ihrem Haus in West Hall, Vermont, 1907 .
    Eine Frau mit wilden Haaren und eindringlichen Augen stand vor einem weißen Holzschindelhaus, das Ruthie sofort wiedererkannte.
    »Das gibt’s ja nicht. Das ist unser Haus!«, rief sie. »Diese Frau hat hier gelebt, in unserem Haus.«

Katherine
    Katherine glaubte daran, dass sich, wenn die Arbeit gut lief, wie von selbst eins zum anderen fügte. Es war ihre Aufgabe als Künstlerin, sich zu öffnen; sich leiten zu lassen, wohin auch immer der Weg führen mochte.
    Heute war nicht einer der Tage, an denen es gut lief.
    Die Arbeit an ihrem neuen Kasten hatte alles andere als vielversprechend begonnen. Es fiel ihr schwer, Entscheidungen zu treffen: Sollte sie ein Foto von Gary nehmen oder lieber eine kleine Gary-Puppe basteln, die mit der grauhaarigen Unbekannten an einem Tisch sitzen konnte? Und was sollte auf dem Tisch stehen? Die Verantwortung, darüber zu bestimmen, worin seine letzte Mahlzeit bestanden hatte, kam ihr überwältigend groß vor. Von allen Szenen, die sie bislang in ihren Kästen dargestellt hatte, war sie bei dieser am meisten auf ihre Einbildungskraft angewiesen.
    Den ganzen Vormittag hindurch hatte sie Garys Präsenz so deutlich gespürt, dass sie manchmal fast sicher war, er würde ihr über die Schulter schauen und sich über sie lustig machen. Sie konnte ihn riechen, ihn fast in der Luft schmecken.
    Was soll das werden? , fragte er sie, als sie stumm auf den leeren Holzkasten starrte, der soeben fertig geworden war.
    »Ich versuche zu verstehen, warum das Letzte, was du in deinem Leben zu mir gesagt hast,

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