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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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vollzogen werden, in dem sie der Erde und dem Vogel dankten und seine Seele dazu ermunterten, in eine höhere Seinsebene aufzusteigen.
    »Die kann nicht von Mom sein«, erklärte Ruthie laut. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass es sich um ein Missverständnis handeln musste. Sie sah zu Fawn, die wie versteinert dastand. Sie hielt ihre Puppe noch immer an einem Arm fest, so dass sie wie ein Pendel über dem Loch hin und her baumelte.
    »Wir sollten es lieber wieder zumachen«, sagte sie.
    Ruthie fand den Vorschlag ihrer Schwester gar nicht so dumm. Andererseits: Sie mussten weitersuchen, oder nicht? Was, wenn ihnen der Inhalt des Schuhkartons einen Hinweis darauf lieferte, was mit ihrer Mutter geschehen war?
    Ruthie kniete sich vor das Loch, als wolle sie beten. Sie wollte nach der Waffe greifen, hielt jedoch inne, als ihre Hand wenige Zentimeter von ihr entfernt war.
    »Bitte nicht«, sagte Fawn mit Panik im Blick. »Die ist gefährlich.«
    »Nur wenn man abdrückt. Und vielleicht ist sie ja auch gar nicht geladen.« Ruthie nahm die Pistole und staunte, wie schwer sie war. Sie hielt sie am metallenen Lauf fest, weil sie dem Abzug nicht zu nahe kommen wollte. Vorsichtig legte sie die Pistole neben sich auf den Fußboden, wobei sie darauf achtete, dass der Lauf von ihr und Fawn weg zeigte. Dann griff sie erneut in das Loch und holte den Schuhkarton heraus. Nike stand auf der Seite.
    Ruthie hob den Deckel des Schuhkartons ab. Darin lag ein Zipbeutel aus Plastik. In dem Beutel steckten zwei Portemonnaies: ein schwarzes Herrenportemonnaie und eine große beigefarbene Damenbörse. Ruthie hielt den durchsichtigen Plastikbeutel in der Hand und hatte auf einmal Angst, ihn zu öffnen. Ein Kribbeln wanderte von ihren Händen die Arme und Schultern hinauf bis in ihre Brust.
    So was Albernes. Das waren doch bloß Portemonnaies.
    Ruthie öffnete den Beutel und nahm das kleinere der beiden Portemonnaies heraus. Darin fand sie einen in Connecticut ausgestellten Führerschein und Kreditkarten, die einem Mann namens Thomas O’Rourke gehörten. Er hatte braune Haare, haselnussbraune Augen, war eins zweiundachtzig groß, wog siebenundsiebzig Kilo und war Organspender. Er wohnte in der Kendall Lane Nummer 231 in Woodhaven, Connecticut. Die Damenbörse gehörte einer gewissen Bridget O’Rourke. Sie enthielt keinen Führerschein, dafür aber eine Kundenkarte von Sears, eine MasterCard und ein Terminkärtchen für Perrys Haarsalon. In beiden Portemonnaies steckte etwas Bargeld. Bridget bewahrte die Münzen in einem Extrafach mit Reißverschluss auf, das außerdem noch ein kleines Goldarmband mit kaputtem Verschluss enthielt. Ruthie zog es heraus – es war zu klein, als dass es einer Erwachsenen hätte gehören können. Sie ließ es wieder zu den Münzen fallen.
    »Wer sind diese Leute?«, wollte Fawn wissen.
    »Keine Ahnung.«
    »Aber wieso haben wir ihre Portemonnaies?«
    »Ich weiß es nicht, Fawn. Sehe ich aus wie eine wandelnde Kristallkugel?«
    Fawn biss sich auf die Lippe.
    »Entschuldige«, bat Ruthie, die prompt ein schlechtes Gewissen bekam. Ihre Mom war verschwunden, und außer ihr hatte Fawn niemanden. Sie wusste, dass sie nicht gerade die beste große Schwester gewesen war, die Fawn sich hätte wünschen können. Schon von Anfang an. Ruthie hatte bei der Geburt dabei sein müssen. Die Hebamme hatte ihr eine Trommel in die Hand gedrückt – das rhythmische Schlagen sollte ihre Mutter bei der Wehenarbeit unterstützen. Als Fawn herauskam, war sie zerknautscht und schrie wie am Spieß – von wunderhübsch oder niedlich keine Spur. Sie erinnerte Ruthie an eine Larve.
    Fawn wurde größer, und hin und wieder spielte Ruthie mit ihr – Puppen, Verkleiden oder Verstecken –, aber sie machte es nur, weil ihre Eltern es von ihr verlangten, nicht aus schwesterlicher Zuneigung. Natürlich liebte sie Fawn, aber aufgrund des Altersunterschieds schienen sie auf zwei völlig verschiedenen Planeten zu Hause zu sein.
    »Ich bin einfach ziemlich durcheinander wegen all dem hier«, versuchte Ruthie zu erklären. Erneut warf sie einen Blick auf Thomas O’Rourkes Führerschein. »Der ist alt. Ist schon vor … fünfzehn Jahren abgelaufen.« Sie steckte ihn zurück in das Portemonnaie, legte beide Portemonnaies in den Plastikbeutel und verstaute alles wieder fein säuberlich im Schuhkarton.
    »Falls Mom zurückkommt, müssen wir so tun, als hätten wir das hier nie gefunden, okay? Das muss unser Geheimnis bleiben.«
    Fawn machte ein

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