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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Vollmond war, haben alle in der Stadt was für sie rausgestellt. Einige von den alten Leuten, Sally Jensen draußen in der Bullrush Road zum Beispiel, machen das sogar heute noch.«
    Ruthie schüttelte ungläubig den Kopf. »So ein Quatsch!«
    »Ich kann’s dir beweisen. Beim nächsten Vollmond machen wir eine kleine Tour durch den Ort. Dann zeige ich dir die Sachen, die die Leute für sie nach draußen stellen.«
    »Wie kommt es dann, dass ich noch nie was davon gehört habe?«
    Buzz zuckte mit den Schultern, stellte seine leere Bierflasche ab und ließ sich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen rücklings aufs Bett fallen. »Wahrscheinlich, weil die Leute nicht oft drüber reden. Mein Opa hat’s nur einmal erwähnt, als er an Thanksgiving ziemlich einen im Tee hatte. Und ihm war richtig unheimlich dabei.«
    Ruthie schüttelte den Kopf, legte sich neben Buzz aufs Bett und schloss die Augen. Es war ein langer, anstrengender Tag gewesen. Sie musste sich nur mal kurz eine Minute ausruhen.
    Unversehens fand sie sich, an der Hand ihrer Mutter, in Fitzgeralds Bäckerei wieder. Über ihren Köpfen flackerten Leuchtröhren, deren Licht immer schwächer wurde.
    »Was hast du dir ausgesucht, mein Täubchen?«, fragte ihre Mutter, die Ruthies Hand ein wenig zu fest umklammerte. Die Bäckerei schien zu schrumpfen. Die Wände rückten immer näher zusammen.
    Ruthie betrachtete die aufgereihten Kuchen und Kekse und zeigte schließlich auf den Cupcake mit dem rosafarbenen Guss. Die Zimmerdecke hatte sich ein Stück gesenkt.
    Als sie den Kopf hob, sah sie, wie ihre Mutter auf sie herablächelte. Auch diesmal war es wieder die Unbekannte – die große dünne Frau mit der Katzenaugen-Brille. Mittlerweile war die Bäckerei auf die Größe eines Wandschranks zusammengeschrumpft, und es war fast vollständig dunkel. Die einzige Lichtquelle war die Glasvitrine mit den Cupcakes, die zu funkeln und zu leuchten schien.
    Ruthie spürte die altbekannte Panik in sich hochsteigen, weil sie sich in einem engen Raum befand. Ihr Atem ging zu schnell, sie hechelte mit geöffnetem Mund wie ein Hund.
    »Eine gute Wahl, mein Täubchen«, sagte die Frau, bevor sie sich an den Hinterkopf fasste und dort einen Reißverschluss herunterzog. Die Haut fiel von ihr ab wie ein Kostüm, und übrig blieb eine unförmige Masse nässendes rotes Fleisch mit einem Loch als Mund.
    Ruthie wollte schreien, aber es ging nicht. Keuchend und mit rasendem Herzen wachte sie auf.
    Sie blinzelte heftig. Sie lagen im Bett ihrer Mutter auf der Bettdecke. Buzz schnarchte leise. Die Deckenlampe brannte und starrte wie ein funkelndes Auge auf sie herab. Rechts neben sich nahm sie eine Bewegung wahr – da war etwas im Wandschrank. Sie drehte sich um. Ein Schatten bewegte sich. Der Kater? Nein, für Roscoe war es zu groß. Sie fuhr hoch und schnappte laut nach Luft: Aus der hinteren Ecke des Schranks leuchteten ihr zwei Augen entgegen.
    Buzz setzte sich kerzengerade im Bett auf, sein ganzer Körper in Alarmbereitschaft. »Wasislos?«
    Mit zitternder Hand deutete Ruthie zum Schrank. »Da ist was drin«, sagte sie. Ihre Kehle war so trocken, dass sie kaum sprechen konnte. »Es beobachtet uns.«
    Innerhalb von zwei Sekunden hatte Buzz die Füße auf dem Boden und die Brechstange in der Hand. Er sprang zum Schrank und riss die Kleiderbügel zur Seite.
    »Da ist nichts«, erklärte er.
    Ruthie schüttelte den Kopf, schwang sich aus dem Bett und kam zu ihm. Sie sah nichts außer den Schuhen und Bügeln mit den Kleidern ihrer Eltern. Aber etwas war anders. Die Luft im Schrank war irgendwie seltsam – knisternd und verbraucht. Und dieser merkwürdige Geruch – er kam ihr bekannt vor, aber sie konnte nicht sagen, wo sie ihn schon einmal gerochen hatte.
    »Vielleicht hast du einfach nur schlecht geträumt«, meinte Buzz und strich ihr übers Haar.
    »Hm, vielleicht«, erwiderte sie. Dann warf sie die Schranktür mit einem Knall zu und wünschte sich, sie könnte sie verriegeln.

1908

Besucher von der anderen Seite
Das geheime Tagebuch der Sara Harrison Shea
15. Januar 1908
    Alles fühlt sich so seltsam an – mir ist, als schwebte ich außerhalb meines Körpers und beobachtete mich und die Menschen um mich herum voller Neugier, als wären sie Schauspieler auf einer Bühne. Auf dem Küchentisch türmt sich das Essen, das die Frauen uns bringen: dunkles Brot, gebackene Bohnen, Räucherschinken, Pasteten, Kartoffelsuppe, Pfefferkuchen, Apfelstreusel, in Rum getränktes Früchtebrot.

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