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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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– im Haus der Wilsons hatte es gebrannt, Theodore Grant war aus dem Sägewerk entlassen worden, weil er betrunken zur Arbeit erschienen war, Minnie Abare war mit ihrem fünften Kind schwanger. (Natürlich wünschte sie sich ein Mädchen, sie hatte ja bereits vier Jungen.)
    Kurze Zeit später ließ Martin uns allein.
    »Die Toten verlassen uns niemals wirklich«, raunte Amelia mir zu, während sie mein Haar bürstete. »Ich war bei dem spiritualistischen Zirkel in Montpelier«, berichtete sie weiter. »Gertie hat mit uns Kontakt aufgenommen. Sie hat auf den Tisch geklopft und gesagt, dass es ihr gutgeht und sie dich sehr vermisst. Die Damen aus dem Zirkel würden sich sehr wünschen, dass du einmal an einer Sitzung teilnimmst. Sie können auch hierher nach West Hall kommen. Wir treffen uns dann in meinem Haus, und du kannst es mit eigenen Augen erleben. Du kannst wieder mit Gertie sprechen.«
    Lügnerin , wollte ich schreien. Doch alles, was ich fertigbrachte, war, die Augen zu schließen und wieder in Schlaf zu versinken.
    Als ich erwachte, war ich ganz sicher, dass Gertie bei mir war. Ich konnte sie spüren, sie riechen. Doch dann schlug ich die Augen auf, und sie war nicht da.
    Wie grausam das Leben geworden war. Wie kalt und leer und grausam.
    Also betete ich. Ich betete zu dem Gott, von dem ich mich abgewandt hatte, er möge mich zu sich holen, damit ich wieder bei meiner Gertie sein konnte. Als das nichts half, betete ich zu Satan, er solle kommen und meine Seele erlösen.
    Und dann, gestern Morgen, kam Martin zu mir herein und küsste mich sanft auf die Stirn.
    »Ich gehe in den Wald jagen. Ich habe mich umgesehen und bin auf einige gute Fährten gestoßen. Ein großer Bock, so wie es aussieht. Amelia kommt heute Nachmittag, sie wird dir dein Mittagessen bereiten und bei dir sitzen, solange ich fort bin. Vor Einbruch der Dunkelheit bin ich zurück.«
    Ich nickte, drehte mich um und schlief wieder ein.
    Ich träumte, Martin stellte im Wald einem Reh nach, doch dann war das Reh plötzlich in unserem Haus und stand am Fuß meines Bettes. Ich hob den Kopf, um es genauer zu betrachten, und da erkannte ich, dass es gar kein Reh war, sondern Auntie.
    Sie sah älter und weiser aus, trug aber noch immer ihren Mantel aus Rehfell mit den Stacheln, Perlen und aufgemalten Blumen. Sie roch nach Leder, Tabak und feuchtem, dichtem Wald. Augenblicklich war mir wohler zumute, und zum ersten Mal seit Tagen schöpfte ich Hoffnung, dass alles gut werden würde. Auntie war zurückgekehrt. Auntie konnte alles wieder in Ordnung bringen.
    Sie sprach zu mir. Anfangs konnte ich sie nicht verstehen, und ich dachte schon, sie spräche in der Sprache der Rehe – ein törichter Gedanke, denn Rehe sind stumme Tiere. Im Schlafzimmer war es dunkel, um uns herum tanzten die Schatten. Mir war, als schwebte das Bett hoch oben über den breiten Kieferndielen, immer höher und höher, und Auntie saß am Fußende wie am Bugspriet eines Schiffes.
    »Wo kommst du her?«, fragte ich sie.
    »Aus dem Wandschrank«, antwortete sie wie selbstverständlich. Ich war erleichtert, dass ich sie jetzt verstehen konnte.
    »Meine Gertie ist tot«, teilte ich ihr mit und begann zu weinen. »Mein kleines Mädchen.«
    Sie nickte und musterte mich lange mit ihren kohlschwarzen Augen. »Würdest du sie gerne noch einmal wiedersehen?«, fragte sie. »Möchtest du Gelegenheit haben, ihr Lebewohl zu sagen?«
    »Ja«, schluchzte ich. »Nur noch einen Augenblick mit ihr. Ich würde alles dafür geben.«
    »Dann bist du bereit. Hörst du, was ich dir sage, Sara Harrison? Du bist bereit.«
    Das Bett schwebte zurück zur Erde. Es wurde heller im Raum. Auntie wandte sich um, ging zurück in den Schrank und zog die Tür hinter sich zu. Ich schloss die Augen und öffnete sie dann wieder. Ich war wach. Im Zimmer roch es wie nach einem Gewitter. Dem Licht nach zu urteilen, war es Vormittag. Martin war noch nicht lange fort.
    Ich lag eine Weile da und dachte über den Traum, das Reh und Auntie nach. Mir fiel ein, was sie mir an jenem lange zurückliegenden Nachmittag gesagt hatte, als ich sie zum ersten Mal über die Schlafenden gefragt hatte.
    Ich werde alles niederschreiben, was ich über die Schlafenden weiß. Ich werde die Papiere zusammenfalten, sie in einen Umschlag stecken und ihn mit Wachs versiegeln. Du wirst ihn an einem sicheren Ort verwahren, und eines Tages, wenn du bereit bist, wirst du ihn öffnen.
    Ich sprang aus dem Bett und eilte durch den Flur in Gerties Kammer,

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