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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Anfangen, beschloss sie, würde sie mit einem Besuch im Sportgeschäft, wo sie sich anständige Stiefel, einen Anorak, eine Mütze und Handschuhe kaufen würde.
    Sie kam an einem Yoga-Studio, einer Eisdiele und einem inzwischen geschlossenen Blumengeschäft vorbei. In sämtlichen Schaufenstern, an Laternenpfählen und Anschlagbrettern hingen Zettel, auf denen das Foto eines vermissten Mädchens aus dem Ort abgebildet war: Willa Luce. Sie war zuletzt am fünften Dezember gesehen worden, als sie, bekleidet mit einer lila-weißen Skijacke, das Haus einer Freundin verlassen und sich auf den kurzen Heimweg gemacht hatte. Seither fehlte von ihr jede Spur. Katherine betrachtete das lächelnde Mädchen – kurze braune Haare, ein paar Sommersprossen, eine blinkende Zahnspange. Vielleicht würde sie wieder auftauchen. Vielleicht auch nicht. Manchmal passierten schlimme, ja schreckliche Dinge.
    Endlich hatte sie den Buchladen erreicht. Die Glocke über der Tür bimmelte fröhlich. Im Laden war es warm und anheimelnd, es roch nach altem Papier und Holz. Sofort ging es ihr ein wenig besser. Die ausgetretenen Dielen knarrten unter ihren Stiefeln. Sie bewegte die Finger, damit das Gefühl in sie zurückkehrte. Ihre Nase begann zu laufen, und sie suchte in ihren Taschen nach einem Papiertaschentuch. Sie fand keins, gab es auf und benutzte stattdessen den Ärmel ihres Kaschmirmantels.
    Sie ging an den im vorderen Bereich aufgestellten Tischen mit Mitarbeiterempfehlungen, Bestsellern und Neuerscheinungen vorbei in Richtung Kasse, wo ein Mann mit Bart und grünem Wollpullover etwas auf einem Laptop tippte. Kurz vor ihrem Ziel blieb sie stehen und wandte sich dem Regal mit Lyrik zu. Früher hatten Gary und sie einander an langen, trägen Vormittagen oft Gedichte vorgelesen: Rilke, Frank O’Hara, Baudelaire. All die berühmten Toten , hatte Gary sie genannt. Er liebte Lyrik und hatte sogar eigenhändig ein paar Verse für ihr Ehegelübde verfasst.
    Früher hatte ich Angst, ich würde dich nur träumen.
    Dann wachte ich auf, und du lagst neben mir.
    Ich nahm deine Hand,
    ein bleicher Seestern auf indigoblauen Laken,
    und drückte meine Lippen darauf.
    Ich schmeckte Salzwasser, kandierte Äpfel, reife Pflaumen.
    Wenn du ein Traum bist, Liebste, will
    ich nie aus dir erwachen.
    Katherine. Schon wieder Gary. Seine Stimme war dicht hinter ihr, sein Atem ließ den Bücherstaub aufwirbeln. Sie fuhr herum, dachte, wenn sie nur schnell genug wäre, könnte sie vielleicht einen Blick auf ihn erhaschen, doch da war nichts. Nicht einmal ein Schatten.
    An der Wand hing eine alte Schwarzweißfotografie. Katherine trat näher und sah, dass es ein Bild des West Hall Inn war. Am unteren Rand stand die Jahreszahl: 1889 . Das große Backsteingebäude mit weißen Fensterläden und Markise kam ihr seltsam bekannt vor.
    »Der ganze Block hier war früher mal das Gasthaus«, teilte ihr der rotwangige Buchhändler mit, als er merkte, dass Katherine das Bild betrachtete. »Hier, wo jetzt der Buchladen ist, waren der Speisesaal und die Bar. Die Fenster sind alle noch original erhalten«, fügte er hinzu und deutete zur Front des Ladens, »aber der Rest ist heute nicht mehr wiederzuerkennen, fürchte ich.«
    Katherine blickte zu den großen Fenstern mit den rechteckigen Buntglaseinsätzen im oberen Teil und dann zurück zum Foto, auf dem dieselben Details zu erkennen waren.
    »Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann, melden Sie sich«, sagte der Mann.
    »Ja, das können Sie vielleicht«, gab Katherine zurück. Sie zog ihre Ausgabe von Besucher von der anderen Seite aus der Tasche.
    »Haben Sie zufällig noch andere Bücher von ihr? Oder über sie?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist alles, bedauere. Obwohl es angeblich irgendwo noch ein verschollenes Tagebuch geben soll.« Seine Augen funkelten. »Sie ist eine Art lokale Legende, und wie bei jeder anständigen Legende darf man das meiste nicht glauben.«
    »Dann hat sie hier in West Hall gelebt?«
    »Ja.«
    »Hat sie noch Verwandtschaft hier?«
    Er kratzte sich am Kopf und wich einen Schritt zurück, als sei er von Katherines wachsender Eindringlichkeit ein bisschen beunruhigt. Sie trug ihren guten Mantel und elegante Stiefel, aber ihre Hände waren voller Farbflecken, und sie hatte vergessen, sich die Haare zu kämmen. Wenn sie nicht aufpasste, würde in der Stadt schon bald das Wort von der Verrückten aus der Großstadt die Runde machen.
    »Keine Verwandtschaft. Alle Harrisons und Sheas sind schon vor

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