Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)
zog, um den Schnee auf den Straßen zu walzen, daneben ein Bild des städtischen Betriebshofs mit zwei riesigen orangefarbenen Schneepflügen. Zwei Fotos von unterschiedlichen Generationen derselben Familie beim Zapfen von Ahornsaft – die einen mit Blecheimern, die anderen mit endlos langen Plastikschläuchen. Als Nächstes eine Gruppe verschmutzter Arbeiter vor einer Sägemühle, in der mittlerweile eine Galerie für Kunsthandwerk untergebracht war; dann ein braunstichiges Bild Dutzender Kinder, die mit ernsten Mienen aufgereiht vor einem Schulhaus standen. Daneben ein Foto der West Hall Union School, eines niedrigen Backsteinbaus von 1979 .
Sie blätterte um und stieß auf das Foto einer Gruppe junger Männer und Frauen, die auf einer karierten Decke saßen. Hinter ihnen war eine große Felsformation zu sehen: fünf Felsen, die fast senkrecht in die Höhe ragten. Picknick bei der Teufelshand, Juni 1898 lautete die handschriftliche Bildunterschrift. Daneben ein Foto derselben Felsen, wie sie in der Gegenwart aussahen. Der Wald war höher und dichter geworden, und es gab keine Picknicker. Die Teufelshand heute.
Sie blätterte die nächste Seite um. Ein weißes Farmhaus mit langgestreckter Hofeinfahrt, dahinter eine Scheune, linker Hand gepflügte Äcker. In der Ecke des Bildes stand, ebenfalls von Hand geschrieben: Haus der Harrison Sheas, Beacon Hill Road, 1905 .
Katherine legte ihre Zigarette in den Aschenbecher und griff erneut in ihre Handtasche, um Garys Besucher von der anderen Seite hervorzuholen. Sie drehte das Buch um und verglich das Haus, vor dem Sara aufgenommen worden war, mit dem Foto in dem neu gekauften Bildband. Sie waren identisch.
Katherine warf einen Blick auf das gegenüberliegende Bild: Das Haus der Harrison Sheas heute . Es sah noch fast genauso aus wie früher: dieselben schwarzen Fensterläden, derselbe Ziegelschornstein, dieselben Stufen vor der Haustür. Die Scheune stand noch, doch die Felder waren überwuchert, der Wald näher ans Haus herangerückt. Links von der Einfahrt, auf dem Hof vor dem Haus, arbeiteten eine Frau und zwei Mädchen in einem Gemüsegarten. Das Foto war von der Straße aus aufgenommen worden, und es war schwer, Einzelheiten zu erkennen, doch die Frau trug einen langen grauen Zopf und ein bunt gemustertes Wolltuch.
Katherines Herz begann schneller zu schlagen. Spielte ihr Gehirn ihr etwa einen Streich? Sie blinzelte und sah zu ihrem Arbeitstisch, wo die Alice-Puppe in ihrer winzigen Kopie von Lou Lous Café am Tisch saß und wartete. Dann wandte Katherine sich erneut dem Foto im Buch zu. Sie kniff die Augen zusammen, halb damit rechnend, dass die Frau mit dem Zopf aus dem Bild verschwunden sein würde – dass es sich nur um eine Einbildung gehandelt hatte. Doch sie war immer noch da, vornübergebeugt neben einem kleinen Mädchen in Latzhosen und einem größeren Mädchen mit dunklen Haaren. Konnte dies tatsächlich Alice, die Eierfrau, sein?
»Beacon Hill Road«, sagte Katherine laut und blätterte zu den Karten am Anfang des Bildbandes zurück. Da war sie. Man musste lediglich der Main Street in westliche Richtung stadtauswärts folgen, dann in der Lower Road, die über den Fluss führte, rechts abbiegen, und die nächste rechts war die Beacon Hill Road. Auf der Karte von 1850 gab es dort nur ein einziges Farmhaus, etwa in der Mitte der Beacon Hill Road, bevor diese die Mountain Road kreuzte. Es war nicht beschriftet. Ein kleines Stück nördlich dieses einzelnen Hauses war ein Hügel eingezeichnet, und über dem Hügel stand das Wort Teufelshand .
Katherine sah auf der aktuellen Karte nach und fand die Beacon Hill Road an derselben Stelle, ebenso wie den Hügel und die Teufelshand. Die Mountain Road hieß jetzt Route 6 .
Vielleicht war es weit hergeholt, aber besser als nichts. Und eine andere Idee, die Eierfrau aufzuspüren, hatte sie nicht – es sei denn, sie wollte eine ganze Woche bis zum nächsten Bauernmarkt warten.
Katherine warf einen Blick aus dem Wohnzimmerfenster. Wie sollte sie überhaupt erkennen, ob es das richtige Haus war? Wäre es nicht besser, bis zum Morgen zu warten und sich bei Tageslicht auf den Weg zu machen?
Nein , beschloss sie und griff nach Handtasche und Schlüsseln. Alles war perfekt. Sie würde hinausfahren, und wenn sie das richtige Haus fand, würde sie klingeln und behaupten, sie hätte sich wegen des schlechten Wetters verfahren oder ihr Wagen hätte eine Panne. Mal sehen, was sich auf diese Weise in Erfahrung bringen
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