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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Mutter gewesen, und Ruthie hatte sich darauf verlassen, dass ihr jeden Morgen gesagt wurde, wie kalt es werden und ob es regnen oder schneien würde.
    »Wo kann mein armes kleines Lämmchen nur sein?«, rief sie und ging ins Wohnzimmer, von dort aus ins Arbeitszimmer und dann in die Küche. Sie ging ins untere Bad und schaltete dort das Licht ein. Als sie den Duschvorhang beiseitezog, leuchteten ihr nur die rosafarbenen Fliesen entgegen. Die alte Wanne mit den Klauenfüßen war bis auf das Kamillenshampoo ihrer Mutter und eine einsame gelbe Gummiente leer.
    »Hier ist sie auch nicht«, stellte sie fest und machte sich auf den Weg zur Treppe. Sie hatte schon jetzt keine Lust mehr. Sie würde kurz oben suchen und das Spiel dann beenden.
    Halbherzig sah sie in ihrem Zimmer, in Fawns Zimmer und im oberen Bad nach, wobei sie jedes Mal gut hörbar verkündete, wo sie gerade war, und laut grübelte, wo Fawn wohl stecken könnte. Schließlich nahm sie sich das Zimmer ihrer Mutter vor, obwohl sie bezweifelte, dass Fawn sich dort versteckt hatte. Unter dem Bett lag sie nicht, und der einzige andere Ort, an dem sie sonst noch hätte sein können, war der Schrank. Ruthie blieb vor der Schranktür stehen und traute sich nicht recht, sie zu öffnen. Idiotischerweise klopfte sie an. Es kam kein Klopfen zurück. Als sie die Tür aufriss, war sie heilfroh, dass der Schrank leer war.
    »Fawn?«, rief sie. »Ich geb auf!« Sie verhielt sich ganz still. Nichts. Erneut ging sie von Zimmer zu Zimmer und rief nach ihrer Schwester.
    Und auf einmal war sie wieder da: die altbekannte Panik. Fawn war verschwunden. Diesmal war sie wirklich verschwunden. Ruthie hätte niemals zustimmen sollen, noch mal Verstecken zu spielen. Nicht in diesem Haus, wo Sara Harrison Shea ihre kleine tote Tochter ins Leben zurückgerufen hatte.
    »Fawn!«, rief sie, inzwischen mit gepresster Stimme. »Wenn du nicht sofort rauskommst, spiele ich nie wieder Verstecken mit dir!«
    Sie war unten im Arbeitszimmer angelangt. Ihr Vater hatte sehr viel Wert auf Ordnung gelegt. Der alte Mahagonischreibtisch war immer aufgeräumt gewesen, die Bücher hatten ordentlich in den Regalen gestanden, auf dem Fußboden hatte nichts gelegen außer einem gewebten Teppich. Seit ihre Mutter das Zimmer übernommen hatte, herrschte das reinste Chaos. Unterlagen, Bücher, Strickmuster, Geflügelkataloge und Post türmten sich in unordentlichen Haufen auf dem Schreibtisch und am Boden. Überall lagen Stoffbeutel mit Wollknäulen und Strickprojekten in verschiedenen Stadien der Vollendung. Ruthie setzte sich auf den Stuhl, griff in einen der Beutel und zog die Mütze heraus, an der ihre Mutter zuletzt gearbeitet hatte.
    Es war am Neujahrstag gewesen. Mom hatte auf dem Sofa gesessen und auf einer Rundstricknadel eine Mütze aus dicker Wolle in leuchtenden Farben gestrickt: Fuchsia, Zitronengelb und Neonblau.
    »Wo willst du hin?«, hatte sie gefragt, als Ruthie in den Flur ging und sich den Parka überzog. Sie hielt nicht im Stricken inne, sondern ließ die Nadeln unaufhörlich weiter klappern, während sie Ruthie forschend ansah.
    »Buzz holt mich ab. Wir treffen uns mit ein paar Freunden.«
    Die Nadeln bewegten sich weiter, Masche für Masche im Kreis herum.
    »Aber sei rechtzeitig zu Hause«, mahnte ihre Mutter noch, bevor sie sich wieder ganz ihrem Strickstück zuwandte.
    Ruthie hatte nichts geantwortet. Hatte sich nicht einmal verabschiedet. Sie hatte einfach die Haustür aufgemacht und war raus in die Kälte geflohen, um am Ende der Einfahrt am Straßenrand auf Buzz zu warten.
    Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Sie sah sie aus dem Augenwinkel – eine winzige, schmutzige Flossenhand.
    Sie erschrak und fuhr herum. Es war Mimi, die Puppe. Lachend drückte Fawn sie an ihre Brust.
    »Mensch, Fawn! Nicht witzig. Du solltest doch rauskommen, wenn ich dich rufe«, schimpfte sie. »Das sind die Regeln. Wo warst du?«
    »Ich hab mich versteckt«, antwortete Fawn.
    »Zeig mir, wo«, befahl Ruthie. Das war jetzt das zweite Mal, dass Fawn so was gemacht hatte, und Ruthie würde nicht dulden, dass sie ihr neues Versteck noch länger geheim hielt.
    »Auf keinen Fall«, erwiderte Fawn.
    »Ich schwöre dir, Fawn, wenn du es mir nicht zeigst, werde ich nie wieder mit dir Verstecken spielen.«
    Fawn starrte ihre Schwester einen Moment lang an, um abzuschätzen, wie ernst es ihr war. Dann flüsterte sie Mimi etwas zu, hielt sich den Mund der Puppe ans Ohr und nickte.
    »In Ordnung«, sagte sie. »Wir

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