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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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Metallisches in seiner Hand aufblitzen zu sehen. Ein Messer oder eine andere Waffe. Er zögerte einen Moment, verfolgte ihn dann aber weiter.
    Die Jagd ging kreuz und quer über den Marktplatz. Schließlich endete die Flucht des Litauers am Rand des Platzes, wo eine graue Mauer ihm den Weg versperrte. Linker Hand waren mehrere Container übereinandergestapelt, rechter Hand verkaufte ein Mann Jeans von einem kleinen Tisch.
    Der Litauer blieb stehen.
    Wisting verlangsamte seine Schritte.
    »Ich will nur mit Ihnen über Darius Plater reden«, widerholte Wisting auf Englisch.
    Der Mann vor ihm musterte prüfend die Mauer, dann nahm er einige Schritte Anlauf und schwang sich hinauf. Als Wisting die Mauer erreichte, verschwanden Muravjevs Füße gerade über die Mauerkrone.
    Der Regen lief Wisting übers Gesicht. Er atmete stoßweise durch den offenen Mund. Er blieb stehen, bückte sich und stützte die Hände auf die Knie, um sich ein wenig auszuruhen.
    Sein Handy klingelte.
    Es war Martin Ahlberg. »Wo zum Teufel steckst du eigentlich?«, rief er.
    Wisting richtete sich auf und blickte sich um. »Weiß nicht genau«, erwiderte er und erklärte, wem er da hinterhergehetzt war.
    »Das ist doch verrückt«, erwiderte Ahlberg. »Ich warte am Eingang auf dich und dann nehmen wir uns ein Taxi zurück zum Hotel.«
    Wisting begann in die Richtung zu gehen, in der er den Eingang vermutete. Unterwegs blieb er bei einem Sonnenschirm stehen, unter dem eine alte Frau Gemüse und Getränke aus einem Kühlschrank mit Glastür feilbot. Er kaufte eine Flasche Wasser und trank sie halb leer, während er auf das Wechselgeld wartete, und er spürte, wie sein Herzschlag sich wieder normalisierte.
    Martin Ahlberg schüttelte nur den Kopf, als Wisting das Tor zum Parkplatz erreichte. »Was hast du dir nur gedacht?«, fragte er. »Die Typen sind gefährlich.«
    Im Laufe des Tages hatte Wisting einen anderen Eindruck von den Männern erhalten, hinter denen sie her waren. Nach Martin Ahlbergs Beschreibung waren sie eine herumreisende, gut organisierte Verbrecherbande, aber ihm selbst schienen sie eher verzweifelte junge Männer ohne Hoffnung auf eine Zukunft zu sein.
    »Du hast recht«, sagte er und versuchte, das Ganze ins Lächerliche zu ziehen. »Ich bin inzwischen zu alt für so was.«
    Er fuhr sich mit der Hand durchs nasse Haar, drehte sich um und blickte zurück auf die Ansammlung von Verkaufsständen. Er hatte das Gefühl, als würden viele der Menschen zurückstarren und ihn abschätzig mustern. Da kehrte er ihnen den Rücken zu und ging hinüber zu einem der wartenden Taxis.

48
    Der schmutzige graue Lieferwagen gehörte einem Gunnar B. Hystad aus Sandefjord. Der SMS-Dienst des Straßenverkehrsamts hielt keine anderen Auskünfte bereit, als dass die Jahresgebühr bezahlt war.
    Sie fand ihn über die Gelben Seiten. Er stand dort mit Festnetz- und Handynummer aufgeführt und einer Adresse, die ihr als ruhige Wohngegend westlich des Zentrums bekannt war. Eine Frau war unter derselben Adresse und mit derselben Telefonnummer verzeichnet.
    Sie fand ihn in den Steuerlisten wieder und sah, dass er 1950 geboren war. Auch hier wurde nicht verraten, wofür das B. stand. Er besaß ein kleines Vermögen und hatte ein Jahreseinkommen von etwas unter einer halben Million.
    Die Internetsuche ergab keinen Treffer. Das Textarchiv der Zeitung enthielt ebenfalls keine Information. Eine Suche mit den Stichwörtern gunnar und hystad allein ergab so viele Treffer, dass es unmöglich war, die richtigen herauszufinden.
    Gunnar B. Hystad konnte der rätselhafte Mann mit dem Fernglas sein, den sie am Tag ihrer Ankunft gesehen hatte. Sie fragte sich, ob sie Benjamin Fjeld anrufen und ihm das Autokennzeichen durchgeben sollte, aber nach dem, was sie im Internet gefunden hatte, wirkte der Mann nicht besonders interessant.
    Das Sonnenlicht fiel schräg durch die ungeputzten Hüttenfenster. Staub tanzte glitzernd in der Luft. Line klappte den Laptop zu und kam für sich zu dem Ergebnis, dass er ihr keine Antwort liefern konnte.
    Trotzdem war irgendetwas an diesem Gunnar B., das ihre Neugier erregte. Der Lieferwagen hatte die ganze Nacht dort gestanden. Er konnte sich natürlich in einer der anderen Hütten aufhalten, aber sie vermutete eher, dass er die Nacht in dem provisorischen Verschlag verbracht hatte, der ihr neulich aufgefallen war.
    Sie erhob sich und holte den Fotoapparat. Klickte durch die Bilder, die sie ein paar Tage zuvor aufgenommen hatte, zog ihre Jacke

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