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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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der Geschäfte, die im Internet zwischen Privatpersonen gemacht wurden, ebenfalls um gestohlene Waren ging.
    »Hier ist alles physisch an einem Ort versammelt«, fuhr er fort, »während wir in Norwegen das Diebesgut übers Internet anbieten und es ›Gelegenheitsmarkt‹ nennen.«
    »Das ist nicht ganz dasselbe«, wandte Ahlberg ein.
    Wisting verzichtete auf eine weitere Diskussion. Als er bei der Polizei angefangen hatte, war die Straße der Hauptumschlagplatz für Diebesgut gewesen. Inzwischen hatte das Internet diese Funktion übernommen. In den digitalen Gebraucht warenmärkten wurden fast ständig dreihunderttausend Artikel angeboten. Der Umsatz wurde auf eine Dreiviertelmillion Kronen pro Jahr veranschlagt. Vorsichtige Schätzungen gingen davon aus, dass es sich bei einem Zehntel davon um den Weiterverkauf von Diebesgut handelte.
    Es begann zu nieseln und die Verkäufer zogen durchsich tige Plastikplanen über die Waren in den vordersten Auslagen.
    Wisting blieb vor einem Tisch mit verschiedenen Schmuckstücken stehen. Es waren hauptsächlich Sachen aus Gold. Ringe, Armbänder und Halsketten. Er griff nach einem breiten Ring, während der Mann hinter dem Tisch ihn misstrauisch beäugte. Deine Kari , las er. 12. August 1966. Ein Ehering. Vermutlich ein geliebtes Andenken, das für den, der ihn ursprünglich am Finger getragen hatte, für immer verloren war.
    »One hundred Litas«, sagte der Mann hinter dem Tisch.
    Wisting schüttelte den Kopf und legte den Ring weg.
    Vor einem Stahlcontainer stand breitbeinig ein Mann mit verschränkten Armen. Er musterte jeden, der durch die Tür ein und aus ging. Einer von denen, die herauskamen, schleppte einen großen Karton, auf dem ein Flachbildfernseher abgebildet war. LG – Life’s Good , stand auf dem Karton.
    Wisting und Martin Ahlberg gingen hinein.
    Der Container war vollgestopft mit allen Arten von Elektronik. Fernseher, DVD-Player, Heimkinoanlagen, Computer und Spielekonsolen. Manches war noch originalverpackt, aber das allermeiste stand ohne jede Verpackung herum.
    Wisting hörte, wie ein Mann den Preis für einen 32-Zoll-Flachbildfernseher von Samsung diskutierte. Genau so ein Apparat war aus Thomas R ø nningens Hütte gestohlen worden. Der Preis, über den sich Interessent und Verkäufer nicht einig werden konnten, lag bei knapp unter fünfhundert Litas. Zwölfhundert norwegischen Kronen.
    »Das hier macht mich krank«, sagte Ahlberg. »Ich könnte platzen vor Wut, wenn ich das sehe!«
    Der Regen wurde stärker und trommelte laut auf das Dach des Stahlcontainers. Der Türsteher verdrückte sich nach drinnen.
    Sie warteten am Eingang darauf, dass der Regen aufhörte. Ein Mann eilte an den Verkaufsständen vorbei, eine Zeitung schützend über den Kopf haltend. Als er an ihnen vorbeikam, hob er den Kopf und sah zu ihnen hinauf. Als sein Blick auf Wisting fiel, riss er Augen und Mund auf. Im nächsten Moment rutschte er aus, stolperte und fiel.
    »Das ist er!«, rief Wisting aus und drängte sich an dem Türsteher vorbei.
    Der Mann rappelte sich auf und begann zu rennen. Wisting war zehn Meter hinter ihm.
    Valdas Muravjev.
    Es war offensichtlich, dass er Wisting ebenfalls wiedererkannt hatte. Ihr Aufeinandertreffen war kurz gewesen; fünf Tage zuvor, als der Litauer am Straßenrand außerhalb von Nevlunghavn scheinbar zusammengebrochen war – ein Schauspiel, das damit endete, dass er Wisting niederschlug und mit seinem Auto davonraste.
    »I wanna talk«, rief Wisting ihm zu, ohne dass es eine sichtbare Wirkung hatte.
    Wisting jagte zwischen Buden und Bankreihen hinter Muravjev her. Schlug flatternde Kleider, Schals und Tücher beiseite, die im Weg hingen. Der Mann vor ihm verließ die Händlergasse, lief durch einen schmalen Durchgang und kam auf eine parallele Gasse, in der mehr Betrieb war. Er drängte sich durch das Menschengewühl, das ihm Platz machte, aber hinter ihm gleich wieder zusammenschlug. Wisting pflügte sich vorwärts und wurde mit wütenden Beschimpfungen bedacht. Er fürchtete schon, den Mann verloren zu haben, aber dann entdeckte er Muravjevs breites Kreuz, als der in die nächste Seitengasse einbog. Wisting bahnte sich einen Weg durch einen Verkaufsstand mit Uhren, Brillen und Gürteln und schaffte es beinahe, ihm den Weg abzuschneiden.
    Er packte ihn am Jackenärmel, aber der andere riss sich los und starrte ihn wütend an.
    »I wanna talk about Darius«, versuchte Wisting es wieder.
    Der Mann lief weiter und Wisting meinte, etwas

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