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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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erwiderte Wisting und hörte die Unsicherheit in seiner eigenen Stimme. Sie hatte sich von dem Moment an aufgebaut, als er allein auf dem leeren Sportplatz zurückblieb.
    »Was führt Sie nach Vilnius?«, fragte der Mann vor ihm.
    Die beiden anderen Litauer setzten sich jeweils auf einen Stuhl. Wisting versuchte, sich auf seinen Atem zu konzentrieren. Das beruhigte die Sinne und bewirkte, dass er klarer denken konnte.
    »Ich ermittle im Mordfall Darius Plater«, sagte er.
    Es wurde still im Raum. Irgendwo in dem Gebäude brummte ein Ventilator.
    »Erzählen Sie uns, wie er gestorben ist«, bat Teodor Milosz.
    »Wir fanden ihn in einem Boot«, erklärte Wisting. »Er hatte zwei Bauchschüsse. Wir glauben, dass er vor irgendetwas geflohen ist und sich in dem Ruderboot versteckt hat. Er ist verblutet.«
    »Wissen Sie, wer es getan hat?«
    Wisting schüttelte den Kopf. »Weder, wer es getan hat, noch warum.«
    Muravjev mischte sich ein und sagte irgendetwas auf Litauisch. Teodor Milosz wechselte einige Worte mit ihm, ehe er sich wieder an Wisting wandte.
    »Warum sind Sie hergekommen? Was wollen Sie von uns?«
    »Sie waren dort, als er starb«, antwortete Wisting. »Ich will wissen, was passiert ist.«
    Teodor Milosz übersetzte. Murajev fuchtelte mit den Armen, während er sprach.
    »Was wird aus uns?«, übersetzte Teodor Milosz.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Werden wir bestraft?«
    »Sie stehen unter Verdacht, mehrere Einbrüche in Ferienhütten in der Gegend begangen zu haben, aber deswegen bin ich nicht hier. Darum geht es nicht. Es geht um Gerechtigkeit für Darius.«
    Die Antwort wurde übersetzt, gefolgt von einem erneuten Wortwechsel.
    »Was beabsichtigt die norwegische Polizei wegen der Einbrüche zu unternehmen?«
    Wisting schwieg einen Moment, ehe er antwortete. »Ich kann Ihnen keine Straffreiheit gewähren. Falls Sie wieder nach Norwegen kommen, riskieren Sie, verhaftet zu werden.«
    Muravjev erhob sich von seinem Platz. Er legte beide Hände an den Kopf. Als er sprach, war seine Stimme voller Verzweiflung.
    Teodor Milosz übermittelte: »Wir müssen doch sicher nach Norwegen, falls es einen Prozess gibt?«
    Wisting nickte. »Das müssen Sie, aber ich bin sicher, dass der Staatsanwalt Milde walten lässt, falls Sie zur Aufklärung des Mordfalls beitragen.«
    Muravjev wurde jetzt laut. »Aber wir wissen doch nichts!«
    »Sie wissen mehr als wir«, wandte Wisting ein. »Sie waren dort, als es passierte. Ich brauche jemanden, der für Darius sprechen kann.«
    Die drei Männer diskutierten eine ganze Weile miteinander. Schließlich schüttelte Muravjev den Kopf und setzte sich.
    Teodor Milosz stützte die Unterarme auf die Knie und beugte sich vor. »Ich werde erzählen«, sagte er.

56
    Eine der schmutzigen Neonröhren an der Decke flimmerte und summte leise, ehe sie erlosch. Teodor Milosz’ Gesicht lag im Schatten.
    »Es stimmt, wir haben Sachen aus den Hütten gestohlen«, begann er. »Wir hatten sechs davon aufgebrochen und waren unterwegs zur letzten, als wir merkten, dass wir nicht allein draußen im Wald waren.«
    Er richtete sich auf und schluckte.
    »Es war dunkel, nur eine kleine Lampe brannte draußen an der Hütte. Wir hockten zwischen den Bäumen, vielleicht zwanzig Meter entfernt, und warteten, um ganz sicherzugehen, dass niemand dort war. Außerdem waren wir noch unentschlossen, ob wir sie uns überhaupt vornehmen sollten. Die Hütte war alt und sah nicht bewohnt aus.« Er räusperte sich und fuhr fort: »Wir hörten ihn, bevor wir ihn sahen. Er war unvorsichtig und brach Zweige von den Bäumen, obwohl er auf dem Pfad ging. Als er vor der Hütte auftauchte, sahen wir, dass er eine Maske trug und eine Tasche bei sich hatte.«
    Teodor Milosz zeigte mit den Armen, wie groß sie gewesen war.
    »Er blickte sich um, bevor er die Tasche in einen Kasten auf der Veranda packte. So eine Truhe, in der die Leute die Polster für ihre Gartenmöbel aufbewahren.«
    Wisting nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte, obwohl die englische Aussprache nicht ganz korrekt war.
    »Wir verhielten uns zehn Minuten lang ganz still«, fuhr der Litauer mit gesenkter Stimme fort. »Dann schlich Darius sich hin, allein. Er öffnete den Deckel der Truhe, nahm die Tasche heraus und öffnete sie.«
    Die staubige Neonröhre über ihm blinkte ein paar Mal, ehe sie wieder ansprang. Das grelle Licht warf scharfe Schatten auf Milosz’ Gesicht und ließ es hohlwangig aussehen.
    » Pinigai! , rief er uns zu. Geld!«
    Die beiden

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