Winterfest
ansehen, bevor ich zu Bett gehe.«
Wisting griff nach der Fernbedienung. »Hier gibt es nur finnische und schwedische Sender«, erklärte er.
»Finnische Fernsehspiele sind gut«, lachte Suzanne.
Sie sagten Gute Nacht und legten auf.
Auf dem Fernsehschirm las Wisting: You have 1 message.
Er drückte OK im interaktiven Menü und erhielt die Meldung, dass an der Rezeption eine Nachricht für ihn hinterlegt war.
Er stand auf, zog seine Schuhe an und fuhr mit dem Aufzug nach unten.
An der Rezeption nannte er seine Zimmernummer und die Frau hinter dem Tresen händigte ihm einen braunen Umschlag mit der Aufschrift Mr. Wisting aus.
Wisting drehte ihn hin und her. Kein Absender. »Wann ist der gekommen?«, fragte er.
Die Rezeptionistin wusste es nicht genau. »Vielleicht vor drei Stunden«, sagte sie.
»Wer hat ihn abgeliefert?«
»Er kam mit dem Taxi.«
Er bedankte sich für die Information und öffnete den Umschlag auf dem Weg zum Aufzug. Darin befand sich eine kurze Nachricht in ungelenker Handschrift.
Talk about Darius Plater.
Come to number 1 Birut ė s gatv ė
Midnight. Alone.
Please.
55
Wisting blieb vor dem Hotelaufzug stehen, drehte sich um und ließ den Blick durch die Lobby wandern, während er den Zettel in der Hand wog.
Gedämpfte Stimmen murmelten in verschiedenen Sprachen. Ein Frau in knielangem, schwarzem Kleid, die allein an der Bar saß, sah ihn an, ohne den Blick abzuwenden. Ansonsten achtete niemand auf ihn.
Die einzige Möglichkeit, die er sich vorstellen konnte, war die, dass der Mann, den er vor wenigen Stunden durch die Reihen der Verkaufsstände auf dem Gariunai-Markt verfolgt hatte, sich die Adresse von dem Taxifahrer hatte geben lassen, der ihn zum Hotel gefahren hatte. Seinen Namen hatten die Litauer vielleicht aus dem Internet. Die Welt war klein geworden. Durchaus möglich, dass sie die Berichterstattung über den Fall, von dem sie selbst ein Teil waren, verfolgt hatten. Wisting wurde in den meisten norwegischen Medien mit Foto und Namen erwähnt. Ein paar Klicks genügten, um die Texte automatisch ins Litauische übersetzen zu lassen.
Er ging zurück zur Rezeption und fragte nach einem Stadtplan. Die Frau hinter dem Tresen griff nach einer Touristenbroschüre und faltete die Mittelseiten vor ihm auf. Routiniert machte sie ein Kreuz ungefähr im Zentrum des Straßenplans und erklärte, das sei das Hotel, in dem er sich befinde.
»Wohin möchten Sie denn?«
Wisting warf einen Blick auf den Zettel, den er in der Hand hielt. »Birut ė s gatv ė .«
Sie wiederholte den Straßennamen in korrekter Aussprache, bewegte den Stift zur Ostseite der Stadt und zeigte am Ufer des Flusses entlang, der die Stadt teilte.
Wisting bedankte sich und faltete die Karte zusammen. Die Uhr hinter der Frau zeigte 23.26 Uhr. Mit dem Taxi würde die Fahrt zur Birut ė s gatv ė vermutlich nicht länger als zehn Minuten dauern.
Der Aufzug brachte ihn zurück in die vierte Etage. Er blieb vor Martin Ahlbergs Tür stehen und hob die Hand, um anzuklopfen, aber dann senkte er sie wieder und schloss seine eigene Zimmertür auf.
Um zehn nach halb zwölf zog er sich an und ging hinunter zur Rezeption. Ehe er sein Hotelzimmer verließ, faltete er den Zettel mit der Nachricht über Treffpunkt und Zeit auseinander und legte ihn gut sichtbar auf den Schreibtisch.
Vor dem Hoteleingang standen vier Taxis am Straßenrand und warteten auf Fahrgäste. Der Fahrer des ersten Taxis blickte hoffnungsvoll zu ihm auf. Wisting machte seine Jacke zu, überquerte die Straße und ging einen halben Block weiter, ehe er ein zufällig herannahendes Taxi anhielt.
Er nahm auf der Rückbank Platz und gab dem Fahrer einen Zettel, auf dem er die Adresse notiert hatte. Der Mann lächelte, nickte und begann in seiner eigenen Sprache loszu plaudern, bevor er anfuhr. Vor dem Autofenster zogen dunkle Geschäfte und Warenhäuser mit verlassenen Parkplätzen vorbei. Aus der Musikanlage kamen komplexe Rhythmen irgendeiner slawischen Band.
Die Fahrt endete an einem eingezäunten Fußballplatz. Der Fahrer zeigte darauf und fragte etwas, aber da Wisting nicht antworten konnte, fuhr er zu einem unbeleuchteten Klubhaus und zeigte auf das Taxameter.
Wisting zahlte und stieg aus. Kalter Wind wehte vom Fluss herüber und trug einen modrigen Geruch mit sich.
Als das Taxi verschwand, stand er ganz allein auf dem leeren Platz. Um ihn herum war nichts anderes zu sehen als die Lichter der Stadt auf der anderen Seite des Flusses. Eine einsame
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