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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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an ihr vorbeiging und auf den Gehsteig trat.
    Mit einem raschen Blick überzeugte sie sich davon, dass kein schwarzer Escalade in ihrer unmittelbaren Nähe parkte. Weiter als ein paar Schritte konnte man sowieso nicht sehen. Ihr Nachteil, wenn sie nach den Verfolgern Ausschau hielt, aber auch ein Vorteil, da sie ebenso schlecht in dem Unwetter zu sehen war. Dennoch kam sie sich wie auf dem Präsentierteller vor. So musste sich jemand fühlen, den man vor ein Hinrichtungskommando gestellt hatte, nur dass man dem die Augen verband.
    Der Gedanke ließ sie erschaudern. Sie lief rasch davon,ständig nach allen Seiten Ausschau haltend, und hielt auf die Hochbahnstation zu. Sie würde in die Innenstadt fahren, dort war sie sicherer als in einem Vorort wie Wrigleyville. Wenn sie Glück hatte, gelang es ihr auf diese Weise, die Verfolger abzuschütteln. Sie würde zur Polizei gehen und in aller Ruhe abwarten, was die US Marshals und das FBI unternahmen. Alles durften sich diese Leute auch nicht erlauben. Man würde die Killer festnehmen und einen Deal verabreden, der dem Spuk ein Ende machte.
    Ein eisiger Windstoß erinnerte sie daran, dass die beiden Männer nicht ihre einzigen Verfolger waren, doch sie verdrängte den Gedanken an den Wendigo. Die Polizei würde sie für verrückt halten und vielleicht auch die Killer ihrer lebhaften Fantasie zuordnen, wenn sie von dem Ungeheuer erzählte. »Na klar, Sie werden von einem Wintergeist mit glühenden Augen verfolgt, der es auf Menschenfleisch abgesehen hat, na logisch, und sein Herz besteht aus Eis.«
    Sie musste beinahe lachen, als sie an die mögliche Reaktion der Cops dachte. Was hieß hier Cops? Jeder vernünftige Mensch würde so reagieren, sogar viele Indianer. Jeder außer …
    Sie huschte in die Station und blieb in der Eingangshalle neben der Rolltreppe stehen. Viele Menschen waren nicht unterwegs. Einige Spätheimkehrer aus der Innenstadt, einige Leute, die sich eine Zeitung oder was Süßes in dem kleinen Laden holten. Die altmodischen Eingangstüren hatte sie im Blick.
    Sie griff nach ihrem Handy, schaltete es ein und wählte eine Nummer, die sie immer noch auswendig kannte. »St. Stephens Mission«, meldete sich eine weibliche Stimme, an die sie sich nicht erinnerte.
    »Father Paul bitte«, sagte sie.
    »Und wen darf ich melden? Es ist schon spät und ich störe ihn nur ungern. Kann die Sache nicht warten?«
    »Father Paul, schnell!«
    Diesmal verband die Frau sie sofort. »Father Paul«, meldete sich eine vertraute Stimme, die Sarah lange vermisst hatte. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Sie holte tief Luft, bevor sie zu sprechen wagte. »Hier ist Sarah, Father.«
    »Sarah? Welche Sarah?«
    »Sarah Standing Cloud«, nannte sie den Namen, den sie von ihren Eltern bekommen hatte.
    »Sarah?«, rief er, erstaunt und entsetzt zugleich. »Sarah Standing Cloud? Um Gottes willen, du sollst dich doch nicht melden! Das ist viel zu gefährlich!«
    »Sie haben mich gefunden, Father.«
    »Clarkson Minerals? Die Mafia?«
    »Und der Wendigo!«
    »Der Wendigo?« Father Paul lebte seit mehr als zehn Jahren auf der St. Stephens Mission im Reservat und kannte den Wintergeist der Anishinabe. »Um Himmels willen, Sarah, bist du es wirklich? Was redest du da für einen Unsinn? Bist du krank? Ist dir was passiert? Sarah, mein Gott, was ist los?«
    »Ich werde verfolgt, Father.«
    »Dann geh zur Polizei, Sarah! Geh zur Polizei, bevor was passiert. Und lass den Unsinn mit dem Wendigo! Du bist doch okay, Sarah? Mein Gott, wie oft habe ich an dich gedacht und für dich gebetet! Geh zur Polizei, Sarah!«
    »Ja, Father. Ich wollte nur …«
    Sie wusste selbst nicht, warum sie ihn und nicht die Polizei oder das FBI anrief, aber es war sowieso zu spät. Einer der Killer betrat in diesem Moment die Eingangshalle und entdeckte sie.
    Sie reagierte augenblicklich, stopfte das Handy in ihre Umhängetasche und stürmte die Rolltreppe zum Bahnsteig empor. Die Rolltreppe war der einzige Fluchtweg, der ihr offenstand, es gab keinen Seitenausgang, und bis zu dem kleinen Laden hätte sie es niemals geschafft.
    Mit weit ausholenden Schritten rannte sie an den verdutzten Passanten vorbei, die gelangweilt auf den Stufen standen und erschrocken zur Seite auswichen, als sie ihre Schritte hörten. »Hey, seien Sie doch vorsichtig!«, beschwerte sich ein älterer Herr. Und als der Killer ihn zur Seite stieß: »Jetzt reicht’s aber! Tragt eure Spielchen woanders aus, sonst rufe ich die Cops!«
    Sarah war beinahe

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