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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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Freiwillig würde er niemals nach Chicago gehen, die Stadt war ungewohntes Terrain für ihn. Genauso gut hätte ein Wolfsrudel im Loop auftauchen können. Es musste einen triftigen Grund für sein Erscheinen geben. Der Wendigo fühlte sich unwohl unter so vielen Menschen.
    Sie presste wütend die Lippen aufeinander. Was denke ich da, sagte sie sich, hab ich etwa schon den Verstand verloren? Der Wendigo ist eine Legendengestalt, so wie die Hexe im Märchen. Den gibt es nur in den Schauergeschichten, die sie im Reservat erzählen. Hier in Chicago wissen sie nicht mal, wer das ist. Hier reden sie von Vampiren und Werwölfen und anderen Ungeheuern, die in Computerspielen, Filmen und Büchern vorkommen. Vom Wendigo haben sie keine Ahnung. Altmodischer Indianer-Hokuspokus.
    Glühende Augen und eine heisere Stimme? Reiß dich zusammen, Sarah, den Blödsinn bildest du dir ein. Ist es denn nicht genug, dass du von zwei Killern verfolgt wirst? Ruf lieber die Polizei an, bevor es zu spät ist!
    Sie griff nach ihrer Umhängetasche und wollte das Handy herausholen, ließ es aber sein. Zu gefährlich. Wenn die Männer noch in der Nähe waren und sie hörten, war es um sie geschehen. Der Escalade war wieder nach unten gefahren, aber das hieß noch lange nicht, dass er das Parkhaus verlassen hatte. Vielleicht suchte er ein oder zwei Stockwerke tiefer nach ihr, oder einer der Männer war ausgestiegen und kam durchs Treppenhaus zurück. Du hast es mitProfis zu tun, hämmerte sie sich ein, die kennen alle Tricks. Nach einer weiteren Viertelstunde beschloss sie die Initiative zu ergreifen. Sie richtete sich zögernd auf und verließ ihre Deckung. Auf Zehenspitzen, damit ihre Absätze kein Geräusch verursachten, folgte sie den Schildern mit der Aufschrift »Abfahrt«. Das war sicherer, als den Aufzug oder das Treppenhaus zu nehmen, dort hätte sie einem der Killer in die Arme laufen können.
    Hinter den parkenden Wagen und dann dicht an der Wand entlang schlich Sarah ein Stockwerk tiefer. Es war so düster auf dem Parkdeck, dass sie kaum etwas sah. Als ein Wagen über die Auffahrt nach oben kam, duckte sie sich rasch hinter einen parkenden Kombi. Ein Hund begann durch das einen Spalt geöffnete Fenster zu bellen. Sie huschte eilig weiter, bis der Hund zu bellen aufhörte, und kroch hinter einen anderen Wagen. Mit klopfendem Herzen wartete sie, bis der Wagen an ihr vorbeigefahren war. Seine Auspuffgase hingen wie eine Wolke in der Luft.
    Sie unterdrückte ein Husten und schlich weiter nach unten. Ungehindert erreichte sie das Parterre. Neben einem Van verharrte sie. Ihr Blick ging über die parkenden Autos hinweg zum Kassenhäuschen neben der Ausfahrt. Eine junge Schwarze saß gelangweilt in dem Glaskasten und las in einem Magazin.
    Sarah blickte über die Schranke hinweg nach draußen und versuchte zu erkennen, ob der Escalade in der Nähe hielt, aber in dem Schnee waren nur undeutliche Schatten zu sehen. Der Flockenwirbel war zu dicht.
    Ganz in ihrer Nähe erklangen Schritte. Unwillkürlich duckte sie sich tiefer. Nervös spähte sie über die Kühlerhauben der parkenden Wagen hinweg. Die Aufzugstür öffnete sich. Eine Frau, ungefähr vierzig und sehr hübsch, trat heraus, einen Hund an der Leine, und verließ das Parkhaus.
    Sarah atmete erleichtert auf. Wenn sie nur gewusst hätte, ob sich noch einer ihrer Verfolger im Parkhaus aufhielt. Wieder tastete ihre Hand nach dem Handy in ihrer Tasche, und wieder zuckte sie zurück, als die Tür zum Treppenhaus aufging und ein Mann heraustrat. Aus der Ferne war nur zu erkennen, dass er einen dunklen Mantel trug. Er hielt keine Pistole in der Hand, aber das wollte nicht viel heißen. Es konnte auch einer der Killer sein. So vorsichtig, wie er sich bewegte und noch einmal umdrehte, bevor er das Parkhaus verließ, verhielt sich nur ein Mann, der auf alles gefasst sein musste. War einer der beiden zurückgekommen, um noch einmal nach ihr zu suchen?
    Die Ungewissheit ließ Sarah zögern. Sie duckte sich tief hinter den Van, den sie als Deckung benutzte, und beobachtete an den Rücklichtern vorbei, wie der Mann den Kragen hochschlug, als er am Kassenhäuschen vorbeikam, das Parkhaus verließ und in einen dunklen Wagen stieg, der vor der Ausfahrt wartete. Der schwarze Escalade, redete sie sich ein, sie fahren davon.
    Doch sie wartete weitere zehn Minuten und wagte auch nicht, ihr Handy zu benutzen, bis sie ihr Versteck verließ und aus dem Parkhaus lief. Die Kassiererin blickte kaum auf, als Sarah

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