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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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böigen Wind stellte sich kaum etwas entgegen.
    Vor ihr ragten die dunkelroten Gebäude der DePaul University aus dem Schneetreiben. Gebogene Straßenlampen säumten die verschneiten Wege zwischen den Häusern und malten gelbe Flecken in den Schnee. Der Campus war menschenleer, lediglich eine schwarze Katze huschte über ein Treppengeländer und verschwand in einer schmalen Gasse neben dem Gebäude.
    Sie wandte den Kopf, sah den schwarzen Escalade um die Ecke biegen und rannte auf den Campus. Von wachsender Angst getrieben spurtete sie durch den knöcheltiefen Schnee vor einem der Fakultätsgebäude. Sie stützte sich keuchend auf eine der Parkbänke, die unter den Bäumen am Wegesrand standen, und schnappte nach Luft.
    Das Adrenalin, das im Augenblick der Gefahr durch ihren Körper geschossen war und ihr die Flucht über den Eisenträger ermöglicht hatte, verflüchtigte sich und ließ der Angst wieder freien Raum. Der Anblick des Wendigo, der in dem Körper des Polizisten zum Leben erwacht war, hatte eine so eisige Kälte ausgestrahlt, dass sie beinahe erstarrt war. Auch jetzt, als sie den Escalade auf den Campus fahren sah, spürte sie das Ungeheuer. Die Furcht griff miteisigen Klauen nach ihr, legte sich so fest um ihren Körper, als wollte sie alle Luft aus ihr pressen und sie mit Gewalt ersticken. Immer noch außer Atem beobachte sie, wie der Geländewagen in einer Schneewolke über den Campus raste und unbeirrt auf sie zusteuerte. Sie hatte kaum noch eine Chance, den Killern zu entkommen.
    Wie ein gehetztes Wild suchte sie nach einem Ausweg. Die Gebäude waren um diese Zeit bereits geschlossen, nirgendwo brannte Licht. Ihr blieb nur der Pfad, der zwischen die eingezäunten Sportplätze führte und so schmal war, dass der Escalade nicht hindurchpasste. Wenn er zur Hauptstraße führte, erwischte sie vielleicht einen Bus oder ein Taxi und konnte verschwinden. Es sei denn, ihre Verfolger erreichten die Halsted Street vor ihr und warteten auf der anderen Seite.
    Ihr blieb wenig Zeit zum Überlegen. Das Motorengeräusch des großen Geländewagens in den Ohren rannte sie zu den Sportplätzen. Zwischen den hohen Gitterzäunen reichte der Schnee bis über ihre Knöchel, und sie brauchte ihre ganze Kraft und Energie, um vorwärtszukommen. Sie blickte nicht zurück, rannte, so schnell sie konnte, und war dankbar für das dichte Schneetreiben, das es den Killern unmöglich machte, einen gezielten Schuss auf sie abzugeben. Erleichtert hörte sie, wie der Motor des Escalade aufheulte und sich das Geräusch rasch entfernte. Sie fuhren zurück zur Straße und würden eine ganze Weile brauchen, um das Ende des Pfades an der Halsted Street zu erreichen.
    Doch das Schneetreiben behinderte ihre Sicht und ließ nicht erkennen, ob der Pfad zur Hauptstraße führte. Das schwache Licht, das von einer einzelnen Straßenlampe auf den Weg fiel, ließ sie kaum die Hand vor Augen erkennen und gaukelte ihr vor, der Pfad wäre endlos. Wären links und rechts von ihr nicht die Zäune gewesen, hätte sie auch inder Wildnis der Boundary Waters sein können. So hieß das menschenleere Gebiet an der kanadischen Grenze, in dem sie mit den anderen Kindern oft zum Angeln gewesen war.
    Links von ihr tauchte der Abwurfplatz des Baseball-Feldes aus dem Flockenwirbel. Auch dort brannte eine Lampe und ließ den Schnee glitzern. Wie aus endlos weiter Ferne drang das Verkehrsgeräusch von der Halsted Street herüber. Der Wind schlug gegen die hohen Maschendrahtzäune und rüttelte daran, rauschte durch die Büsche und verwehte den Schnee auf dem Pfad.
    Als der Weg abrupt nach links abbog und ihr die Zäune keine andere Wahl ließen, als ihm zu folgen, wurde das Verkehrsgeräusch leiser. Die Enttäuschung darüber, sich von der Halsted Street zu entfernen, ließ sie für einen Moment langsamer werden, doch ihr Überlebenswille war stärker und ließ sie wieder Geschwindigkeit zulegen. In der Hoffnung, dass der Pfad bald nach rechts abbiegen würde, lief sie weiter. Den feuchten Schnee, der längst in ihre Stiefel gedrungen war, spürte sie gar nicht.
    Nach ungefähr einer Minute, die ihr wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen war, erreichte sie das Ende des Zauns. Der Pfad verschwand im Schnee, und vor ihr lag eine riesige weiße Fläche, die hinter ihr von den eingezäunten Sportplätzen und an den anderen drei Seiten von der Halsted Street und zwei schmalen Straßen eingerahmt wurde.
    Vor ihr erhoben sich zwei Gebäude. Eines gehörte zur Uni, das andere

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