Winterkill
Kirche kamen und einer rief: »Sie ist hier! Die Schlampe hat sich irgendwo versteckt!«
Sie knipste das Licht aus und tastete sich zu der anderen Tür vor. Der Riegel war gut geölt und ließ sich leicht öffnen. Als sie die Tür öffnete, blies ihr pfeifender Wind entgegen und wirbelte Schneeflocken in den Raum. Die Wucht riss einen Kerzenleuchter von der Kommode und schleuderte ihn zu Boden.
Schon das plötzliche Pfeifen des Windes hätte genügt, um sie an ihre Verfolger zu verraten, aber das Poltern des Leuchters ließ keinen Zweifel mehr daran, wo sie sich versteckt hielt. Ohne sich damit aufzuhalten, die Tür wieder zu verschließen, rannte sie in das Schneetreiben hinaus. Durch den Schnee, der auch hinter der Kirche knöcheltief lag, rannte sie an den Picknickplätzen unter den Bäumen vorbei.
Schon stürmten die Killer hinter ihr aus der Kirche. Sie blieb im Schatten der Bäume, machte es den Verfolgern unmöglich, einen gezielten Schuss abzugeben. Keuchend hastete sie der Straße entgegen. Nur noch einen halben Block, dann hatte sie es geschafft.
Der Verkehr wurde lauter, sie konnte bereits die einzelnen Geräusche auseinanderhalten. Das ungeduldigeHupen der Taxis, das Aufheulen eines Motors, das Rattern eines altersschwachen Lastwagens. Durch die Büsche am Ende des Weges schimmerten die Lichter der belebten Halsted Street. Dort würden die Killer nicht wagen, auf sie zu schießen. Oder doch? Sie würde sich ein Taxi schnappen und verschwinden. Dort gab es genug Taxis.
Sie wagte nicht, sich umzudrehen. Aus Angst, dabei wichtige Bruchteile von Sekunden zu verlieren, mobilisierte sie ihre letzten Kräfte, um endlich die Hauptstraße zu erreichen. Dann endlich der rettende Gehsteig, die vielen Lichter. Nur noch zwischen den parkenden Autos hindurch und eines der vielen Taxis herangewunken und sie hatte es geschafft. Nur noch wenige Schritte.
Doch gerade als sie den Gehsteig erreicht hatte, rutschte sie auf dem vereisten Untergrund aus und stürzte. Schreiend fiel sie zu Boden. Ihr Knöchel war verstaucht, das merkte sie sofort. Sie stemmte sich vom Boden hoch, schrie vor Schmerzen auf, als sie den verletzten Fuß belastete, und sank zurück. Ohne fremde Hilfe ging es nicht.
Sie hob den Kopf und sah die Killer hinter den Büschen hervorsprinten. Einer der beiden griff nach seiner Pistole und zielte auf sie. Sie schloss die Augen und wartete auf die tödliche Kugel.
»Ich bin Kathryn«, sagte die junge Frau im Chevy und steckte ihre Pistole weg. »Tut mir leid wegen der Waffe, aber sonst wären Sie nicht eingestiegen.«
»Kennen wir uns?«, fragte Carol verwundert. Sie hatte Kathryn noch nie gesehen. »Was wollen Sie von mir?«
»Ich will Ihnen helfen«, antwortete die Frau am Steuer. Sie war ungefähr dreißig, trug einen eng anliegenden, knielangen Mantel über ihren Jeans und gefütterte Stiefel. Ihre dunkelblonden Haare hatte sie mit einem schlichtenGummi zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden. »Oder wollten Sie lieber in den Streifenwagen steigen?«
Carol blickte die Frau misstrauisch an. Man brauchte keine Hellseherin zu sein, um zu merken, dass ihre Retterin es nicht ehrlich meinen konnte. Niemand nahm eine fremde Frau mit, die offensichtlich vor der Polizei davonlief.
Auch wenn sie keine andere Wahl gehabt hatte, bereute sie bereits, zu ihr in den Wagen gestiegen zu sein. Ihre Hand wanderte langsam zur Beifahrertür. »Bruno hat Sie geschickt, stimmt’s?«
Kathryn blickte auf Carols Hand, die sich schon bedrohlich nahe an den Türgriff geschoben hatte. »Lassen Sie den Unsinn! Ich tue Ihnen nichts. Seien Sie froh, dass ich in der Nähe war.«
»Sie kommen von ihm.«
»Ich arbeite für Bruno«, verbesserte sie, »genau wie Sie.« Sie bog in die Addison und fuhr zum Lake Shore Drive. »Er hat mich gebeten, Sie zu einem Meeting in sein Strandhaus zu bringen.«
»Was für ein Meeting?« Carol war immer noch misstrauisch. Bisher hatte Bruno sie noch nie von einer Frau abholen lassen. Meist war er selbst in einer seiner Limousinen gekommen oder er hatte seinen Chauffeur geschickt.
»Keine Ahnung, vielleicht was Privates. Ich würde mir keine Sorgen machen. Er hat in den höchsten Tönen von Ihnen gesprochen. Sie seien sein kleiner Engel. Ich glaube, er mag Sie.«
Carol blieb misstrauisch. Sie hatte Bruno noch nie von einem Strandhaus reden hören, und zu ihren privaten Treffen hatte er sie bisher immer selbst abgeholt oder in ein Luxushotel bestellt.
Es musste einen anderen Grund dafür
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