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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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die Notrufnummer eintippte, geriet sie in Panik. Ohne etwas zu sagen, rannte sie davon. Ein Müllmann, der gerade dabei war, einen Plastiksack zu verstauen, blickte ihr entsetzt nach und rief: »Hey, Miss! Sie bluten ja. Kann ich Ihnen helfen, Miss?«
    Der SUV-Fahrer war geschockt: »Wo wollen Sie denn hin, Miss? Sie sind verletzt! Bleiben Sie bitte hier! Der Krankenwagen muss gleich da sein.«
    Carol kümmerte sich weder um den einen noch um den anderen und rannte weiter. Sie hatte ihren Mantel angezogen und die High Heels gegen flache Schuhe ausgetauscht, bevor sie aus der Wohnung gestürmt war, hatte aber ihre Wollmütze vergessen und trug immer noch den kurzen Rock. Frostiger Wind wirbelte durch ihre Locken und verursachte Gänsehaut auf ihren Beinen.
    Sie rutschte aus, hielt sich an einem Hydranten fest und stürmte weiter die Straße hinab, nur weg von der Unfallstelle und dem grauhaarigen Mann. In ihrer Panik kam ihr nicht in den Sinn, dass die Polizei schnell herausbekommen würde, wer sie war, wenn sie die Autonummer ihres Wagens checkten, auch wenn »Carol Heisler« nicht ihr richtiger Name war. Denn das Foto auf ihrem Führerschein war echt, und sie würden sofort eine Fahndung einleiten. Ein Leichtes für Bruno, sie dann ebenfalls zu finden und auszuschalten, bevor die Polizei eintraf.
    Vor ihr tauchten die Lichter der Klinik aus dem Schneetreiben. Ein flaches Gebäude, das etwas verloren zwischen den Hochhäusern der näheren Umgebung wirkte. »Medical Clinic« stand in grünen Neonbuchstaben über dem Eingang. Neben der Klinik gab es einen großen Parkplatz und einige Container.
    Sie stürmte in die Klinik und sah sich einer jungenSchwester in hellgrüner Uniform gegenüber. »Sie müssen mir helfen, Schwester!«, rief sie aufgeregt. »Ich brauche einen Arzt! Ich hatte einen Unfall … bin die Treppe runtergefallen …«
    Diese Ausrede hörte die Schwester jeden Abend ein paarmal. Sie arbeitete seit über zehn Jahren mit dem Arzt zusammen, der die Klinik gegründet hatte, und niemand machte ihr noch was vor. »Sind Sie sicher, dass es die Treppe war?«, fragte sie. Während sie redete, griff sie bereits nach einem Klemmbrett. »Wenn Sie Ärger zu Hause haben, kann ich Ihnen eine Adresse nennen, dort …«
    Carol ließ sie nicht ausreden. »Sie liegen falsch, Schwester. Ich bin nicht verheiratet, und ich hab auch keinen Freund, der mich verprügelt. Ich bin die Treppe runtergefallen und brauche dringend Hilfe. Sie sehen doch, was mit mir los ist. Bringen Sie mich zu einem Arzt!«
    »Ihr Name?«, fragte die Schwester.
    »Carol Heisler«, antwortete sie und gab auch die Adresse an, unter der sie gewohnt hatte. Dorthin würde sie sowieso nicht mehr zurückkehren. Sobald sie aus der Stadt war, würde sie sich einen neuen Namen zulegen, die Haare färben und eine Brille aufsetzen, dann konnten sie meinetwegen das ganze Land nach ihr absuchen. Sie würde irgendwo als Bedienung arbeiten, bis sich der Trubel gelegt hatte. »Wollen Sie meine Kreditkarte sehen, Schwester, oder kann ich warten, bis der Arzt meine gebrochene Nase gerichtet hat?«
    Die Schwester war lange genug in dem Job, um sich nicht mit ihr anzulegen, und führte sie in ein Sprechzimmer. »Doctor Wilson kommt gleich«, sagte sie. Sie legte das Klemmbrett neben den Computer und verschwand.
    Wenige Sekunden später erschien Dr. Wilson, ein junger Arzt mit sorgfältig gescheiteltem Haar, der angenehmüberrascht war, eine hübsche Patientin zu sehen. Anscheinend hatte sie auch mit ihrem blutigen Gesicht und ihrer lädierten Nase noch allerhand zu bieten. Ihre makellosen Beine zum Beispiel. »Dr. Wilson«, stellte er sich lächelnd vor. »Sie sind die Treppe runtergefallen? Na, dann wollen wir uns die Bescherung mal ansehen …«
    Wilson war ein guter Arzt. Innerhalb weniger Minuten hatte er die Wunden gesäubert und ihre rechte Stirnseite und ihre Nase örtlich betäubt. Während der Behandlung lächelte er unentwegt, wurde nur einmal ungehalten, als die Schwester ihren Kopf zur Tür hereinstreckte und fragte, ob er Hilfe benötige: »Ich komme zurecht, Schwester.«
    »Ihr Nasenbein ist gebrochen«, sagte er, nachdem er die Blutung gestoppt und die Augenbraue vernäht hatte. »Ich werde Ihnen die Nase richten, damit Sie nach der Genesung genauso hübsch aussehen wie vorher, und Ihnen ein festes Pflaster darauf kleben. Aber ich muss darauf bestehen, dass Sie morgen wiederkommen, nicht nur damit ich Ihre Wunde untersuche. Versprechen Sie mir das …«,

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