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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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und sich auf diese Weise die Freiheit zu erkaufen, fehlten ihr die Beweise. Sie hatte nichts gegen ihn in der Hand. Außerdem wäre er auch im Gefängnis einflussreich genug, um sie ermorden zu lassen. Sein Arm reichte weiter, als man sich vorstellen konnte.
    Sie gelangte zur Addison Street und hielt, konnte in dem dichten Schneetreiben kaum etwas erkennen. In ihr linkes Auge war Blut gelaufen. Sie tupfte es mit dem Handtuch sauber und bog nach rechts, blieb dicht hinter den Rücklichtern eines langsam fahrenden Lieferwagens, um nicht die Orientierung zu verlieren. Die Scheibenwischer knarrten und kämpften verzweifelt gegen den Flockenwirbel an.
    Ob Sarah schon tot war? Bruno wollte sie bestrafen, weil sie vor Gericht gegen seinen jüngeren Bruder ausgesagt hatte. Zwei Jahre hatte er gebraucht, um sie zu finden. Auch ihm standen nicht alle Türen offen. Sarah hatte dafür gesorgt, dass sein geliebter Bruder lebenslänglich im Knastsaß, ohne Hoffnung auf Begnadigung, und dafür sollte sie büßen. Sie sollte ahnungslos in seine Falle laufen und sich die Seele aus dem Leib schreien, bevor er sie endgültig tötete.
    Carol war die Tochter eines guten Freundes der Familie , der bei einer Schießerei in New York ums Leben gekommen war. Bruno hatte den Mörder erledigt und sich ihrer angenommen, ihr ein Apartment gemietet und genug Geld gegeben, um jede Woche auf Shopping-Tour gehen zu können. Sie hatte ihre Dankbarkeit gezeigt, indem sie ihm fast jeden Wunsch von den Augen ablas.
    Sarah war nicht ihr erstes Opfer gewesen. Der Rechtsanwalt, der einen schlechten Deal für einen von Brunos Männer ausgehandelt hatte, und der Reporter, der die Hetzartikel gegen ihn in seiner Zeitung veröffentlicht hatte, waren nur gestorben, weil Carol ihr Vertrauen gewonnen und sie in eine Falle gelockt hatte. Normalerweise kannte sie keine Skrupel. Diese Männer waren selbst schuld, wenn sie sich mit der Familie anlegten und solche Unwahrheiten verbreiteten.
    Warum hatte Sarah vor Gericht ausgesagt? Warum hatte sie durch ihre Aussage dafür gesorgt, dass Brunos kleiner Bruder den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen musste? Ihr hätte es doch egal sein können, was mit dem Mörder geschah. Sie bekam keinen einzigen Penny dafür, im Gegenteil, sie hatte ihre Heimat verlassen und in Chicago ein neues Leben beginnen müssen. Warum musste sie unbedingt die Heldin spielen?
    Carol folgte dem Lieferwagen auf die Halsted Street und bog nach rechts ab. Ein paar Blocks weiter nördlich gab es eine Klinik, in der sie ihre Wunden behandeln lassen konnte. Keines der großen Krankenhäuser, dort würde Bruno zuerst nach ihr suchen lassen, eher eine unscheinbareKlinik abseits aller Ausfallstraßen, in der man sie bestimmt nicht vermuten würde. Auch Bruno brauchte eine Weile, um eine Sache ins Laufen zu bringen. Sarah zu erwischen, war ihm sicher wichtiger. So hasserfüllt wie über sie hatte er noch über keinen anderen gesprochen. Die beiden Killer würden sie ihm in die Arme treiben müssen, und dann würde er ihr eigenhändig alle Knochen brechen. Carol erschauderte, wenn sie nur daran dachte.
    Sie bog in eine Seitenstraße. Die Rushhour war längst vorüber, aber in diesem Teil der Stadt war immer was los, selbst wenn man vor lauter Schnee kaum die andere Straßenseite erkennen konnte. Ein Heer von gelben Taxis wälzte sich über die Michigan Avenue und versperrte den Stadtbussen und den anderen Autos den Weg. Ein ständiges Hupkonzert, nur übertönt von den Sirenen der Polizei und der Feuerwehr, die bei diesem Wetter ebenfalls ständig im Einsatz waren, schallte durch die Nacht und machte sie noch nervöser.
    Als sie einen Müllwagen vor sich auftauchen sah, trat sie erschrocken auf die Bremse. Gerade noch rechtzeitig riss sie das Steuer nach links. Dabei prallte sie gegen einen SUV, der ebenfalls abgebogen war und an ihr vorbeifahren wollte. Die Frontpartie des schweren Outlanders bohrte sich in den linken Kotflügel ihres Beetle. Carol fluchte laut, als sie es krachen hörte. Wütend hämmerte sie auf das Lenkrad.
    Der Fahrer des SUV, ein grauhaariger Mann, wurde blass, als sie ausstieg und er ihr blutüberströmtes Gesicht im Schneetreiben sah. Er konnte schließlich nicht wissen, dass sie sich die Verletzungen woanders zugezogen hatte. »Um Gottes willen, Miss, das wollte ich nicht!«, erschrak er. »Warten Sie, ich rufe einen Krankenwagen. Setzen Sie sich am besten in den Wagen.«
    Als Carol sah, wie er nach seinem Handy griff und

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