Winterkill
vor?«
»Nun ja … meine Verlobte …«
Havelka musste grinsen. »Das kenne ich. Je früher sich die Lady an unsere Arbeitszeiten gewöhnt, desto besser.«
Als Havelka im fünften Stock des Apartmenthauses aus dem Aufzug stieg, waren die Beamten der Crime Scene Unit schon dabei, nach Spuren zu suchen. Die beiden Uniformierten, die den Überfall gemeldet hatten, standen neben der Tür und warteten wohl ungeduldig darauf, endlich gehen zu dürfen.
Sergeant Dexter empfing sie mit grimmigem Gesicht. »Allerhand los heute Abend. Schon der zweite Einsatz ohne Mord. Wie kommt’s, dass sich die Mordkommission damit beschäftigt?«
»Major Case Squad«, verbesserte sie ihn. »Das verschwundene Opfer hatte einen falschen Namen, und ihre Mitbewohnerin wird von zwei brutalen Männern gejagt. Ist das etwa nichts?« Sie deutete auf die Blutspuren auf dem Boden. »Was haben wir, Dexter? Die DNA der Männer, wie ich Sie kenne.«
»Wir können nicht zaubern, Lieutenant. Das sieht eher nach dem Blut des Opfers aus. Wir vergleichen die DNA mit den Werten, die wir in den Haaren finden, die ich aus ihrer Bürste habe. Carol ist blond, die andere dunkel.«
»Eine Indianerin, hab schon gehört. Man hat auf sie geschossen, nicht wahr? Haben Sie die Kugel gefunden?«
Er lächelte stolz und griff nach einem Plastikbeutel mit dem Beweisstück. »Kaum zu glauben, aber das Ding lag auf der Feuertreppe. Schlug wohl als Querschläger gegen das Geländer und eine Metallverkleidung in der Hauswand. Die Frau hatte großes Glück.« Er betrachtete die zerbeulte Kugel. »Neun Millimeter, was meinen Sie, Ma’am?«
»Lieutenant«, verbesserte sie ihn. Dem Sergeant fiel esschwer, eine Frau in einem höheren Dienstrang zu akzeptieren. Sie nickte. »Neun Millimeter. Sehen Sie nach, ob die Waffe im Computer ist. Haben wir was über die Opfer?«
»Noch sind sie nicht tot«, revanchierte sich der Sergeant. »Über die Indianerin jede Menge. Sarah Anderson. Ein Bücherei-Ausweis, jede Menge Briefe und Notizen, ein paar Fotos von Pow-Wows … indianischen Tanzfesten.«
»Ich weiß, was ein Pow-Wow ist«, erwiderte sie kühl. »Wo sind die Sachen?«
Er deutete auf eines der Schlafzimmer. »Kommode, oberste Schublade.«
Sie trat an den Schreibtisch und betrachtete den eingeschalteten Laptop. Der Bildschirmschoner zeigte das Foto eines indianischen Tänzers. »Ihrer?«
»Nehme ich an«, antwortete der Sergeant, »hilft uns aber nicht weiter. Außer einem Aufsatz über die Mythen und Legenden irgendeines Indianerstammes, einer Liste mit Ausstellungsstücken im Field Museum und den üblichen Standards ist nichts drauf.«
»Sie hat alles gelöscht?«
»Es gab nichts zu löschen«, verbesserte Dexter. »Keine Geheimnisse, leider. Aber wir nehmen das Ding mit.«
»Und Carol Heisler?«, fragte Havelka nach einer kurzen Pause. »Was haben wir über sie? Gibt es ein Foto von ihr?«
Der Sergeant legte den Beutel mit der Kugel weg. »Nichts, Lieutenant. Kein Foto, keine Ausweise, kein Abholschein für die Reinigung, kein Adressbuch, kein Computer. Nicht das Geringste. Wenn ihr Name nicht auf dem Klingelschild stehen würde, könnte man annehmen, sie hätte gar nicht hier gewohnt. Aber ihre DNA kriegen wir und ihre Fingerabdrücke auch, hoffe ich. Entweder war sie übervorsichtig oder …«
»… sie hatte etwas auf dem Kerbholz«, ergänzteHavelka. Sie erzählte dem Sergeant, was Densmore über die Frau herausbekommen hatte.
»Interessant«, erwiderte er.
»Halten Sie mich auf dem Laufenden«, bat Havelka. Sie wandte sich an die beiden Uniformierten. »Wir hatten am Telefon miteinander gesprochen, nicht wahr? Lieutenant Karen Havelka.«
»Officer Colby«, antwortete der Ältere. »Das ist Officer Taylor.« Er räusperte sich. »Ja, Lieutenant. Über Funk klang es wie häusliche Gewalt. Was hier wirklich los war und dass geschossen wurde, erfuhren wir erst vor Ort. Die Frauen haben wir nicht gesehen. Weder Miss Anderson, die Frau, auf die geschossen wurde, noch Miss Heisler, die Frau, die man zusammengeschlagen hat. Nur den Nachbarn mit dem Hund.« Er blätterte in seinem Notizblock. »Ein gewisser Kevin Gruber.«
»Holen Sie ihn her.«
Colby wandte sich an seinen jungen Partner. »Hol den Mann her … ohne seinen Kläffer.«
Taylor verschwand in den Flur und kehrte keine zwei Minuten später mit dem Nachbarn zurück. Für einen Mann, der eine blutüberströmte Frau gesehen hatte und beinahe von zwei Männern mit Pistolen über den Haufen gerannt
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