Winterkill
ihre Umhängetasche. Noch hatten die Männer sie nicht entdeckt. Sie versuchte die Haustür zu öffnen, vor der sie stand. Vergeblich, sie war fest verschlossen. Sie klingelte im Parterre und im ersten Stock, doch niemand öffnete. Als sie eine weitere Klingel drückte, meldete sichjemand über die Sprechanlage, und sie bat um Hilfe, vergeblich.
In das italienische Restaurant konnte sie nicht gehen, im Lichtschein des Eingangs hätten die Killer sie sofort entdeckt. Warum trug sie auch eine auffällige Mütze? Doch ihre langen schwarzen Haare hätten sie genauso verraten.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als stehen zu bleiben und zu hoffen, dass die Killer nicht auf sie aufmerksam wurden. Eine vergebliche Hoffnung, wie sich Sekunden später herausstellte. Einer der Männer deutete auf sie und sprang gleich darauf aus dem Wagen. Nur weil die Ampel auf Grün gesprungen war und ihm die Autos auf der Gegenfahrbahn den Weg versperrten, erreichte er sie nicht sofort.
Ungeachtet des stechenden Schmerzes, der bei jedem Schritt durch ihren linken Fuß schoss, rannte sie zur Ampel und über den Zebrastreifen. Der Mann im Escalade wollte ihr folgen, wurde aber durch den Linienbus blockiert, der nach links abbiegen wollte und mitten auf der Straße stehen blieb.
Ihr Vorsprung war nicht besonders groß, vielleicht einen halben Block, denn der Killer, der zu Fuß hinter ihr war, hatte inzwischen ihre Straßenseite erreicht, und der Linienbus bog auch schon ab. Sie rannte im Schatten einiger Wohnhäuser entlang, hätte bei jedem Schritt am liebsten laut aufgeschrien und suchte verzweifelt nach einem Fluchtweg. Ein älterer Mann, der seinen Hund ausführte, blickte ihr neugierig nach und schüttelte den Kopf.
Hinter ihr kamen die Schritte ihres Verfolgers immer näher, rechts von ihr röhrte der Motor des SUV und ein dunkler Schatten legte sich über den Gehsteig. Sie hörte, wie der Fahrer die Tür aufriss und ihr zu Fuß weiterfolgte.
In ihrer Panik rannte sie in eine schmale Gasse zwischen zwei Wohnhäusern. Hier lag kaum Schnee. Sie prallte mitvoller Wucht gegen eine Abfalltonne, riss den Deckel herunter und stöhnte vor Schmerz, als sie den Halt verlor und den verletzten Fuß stark belasten musste. Zwei Stockwerke über ihr riss jemand ein Fenster auf und schimpfte: »Was soll der Krach? Verpisst euch, ihr Säcke!«
Sie erreichte einen Hinterhof, der auf drei Seiten durch Hauswände und auf der vierten durch einen rostigen und teilweise eingerissenen Maschendrahtzaun begrenzt wurde. Aus einer dunklen Ecke schoss ein Hund hervor, ein schwarzer Wachhund, der wütend bellte und zu den Killern weiterrannte, die hinter ihr in den Hof gestürmt kamen.
Sie sah, wie einer der Männer nach seiner Pistole griff, und hetzte zum Zaun. Mit schmerzverzerrtem Gesicht kletterte sie daran empor. Ihre Hände fanden kaum Halt in den Maschen des schwankenden Zaunes. Als sich ein hervorstehender Draht im Riemen ihrer Umhängetasche verfing und sie von ihrer Schulter riss, griff sie geistesgegenwärtig danach, bekam sie aber nicht mehr zu fassen und musste hilflos zusehen, wie sie zu Boden fiel. Umkehren konnte sie nicht mehr, also kletterte sie weiter. Nur der Hund rettete ihr Leben. Gerade als der größere der beiden Killer den Abzug durchzog, sprang er an ihm empor, und die Kugel fuhr weit an ihr vorbei und blieb im Schnee stecken.
Sarah nützte die Verwirrung, sprang auf die andere Seite und hetzte davon. Durch ein Tor erreichte sie den Gehsteig. Der eisige Wind traf sie voll ins Gesicht, aber sie spürte ihn kaum, war sich im Klaren darüber, dass ihre Verfolger nur wenige Sekunden brauchen würden, um den Hund abzuschütteln. Ein weiterer Schuss und ein lautes Jaulen verrieten ihr, dass sie es schon geschafft hatten. Vielleicht rief ja einer der Hausbewohner die Polizei.
Doch das nützte ihr im Augenblick auch wenig. Sie hieltverzweifelt nach einem Taxi Ausschau, sah nur einen Linienbus, der einen halben Block von ihr entfernt an den Straßenrand fuhr. Sie rannte auf ihn zu, schrie und winkte mit beiden Armen und hatte Glück, dass der Fahrer sie im Außenspiegel sah und wartete. Sie stieg ein und hielt sich erschöpft an einer Haltestange fest. »Machen Sie die Tür zu!«, keuchte sie. »Schnell! Sie sind hinter mir her!«
Der Busfahrer schloss verwundert die Tür und fuhr weiter. Als er im Spiegel beobachtete, wie die beiden Männer wütend mit den Fäusten gegen den Bus hämmerten, wollte er anhalten und ihnen die Meinung sagen,
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